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Papel Politico

Print version ISSN 0122-4409

Pap.polit. vol.18 no.1 Bogotá Jan./June 2013

 

Das Präsidialsystem in Kolumbien: Eine biopolitische Analyse. Rafael Núñez und Álvaro Uribe im Vergleich*

El sistema presidencial en Colombia: un analisis biopolítico. Rafael Nuñez y Álvaro Uribe en comparación

The Presidential System in Colombia: A Biopolitical Analyse: Rafael Nuñez and Álvaro Uribe in Comparison

Luis Felipe Vega**

* El presente artículo es una síntesis del proceso de investigación de la tesis doctoral de su autor en la Universidad de Leipzig, trabajo dirigido por el Pr. Emérito. Dr. Wolfgang Fach. El proceso de investigación supone fuentes de los siglos XIX y XX, en especial, el ejercicio de comparación de la producción de discurso político desde una lectura analítica de la obra de Michel Foucault a partir del trabajo crítico de la escuela alemana.
** Profesor de la Facultad de Ciencias Políticas y Relaciones Internacionales de la Pontificia Universidad Javeriana. Filósofo, Teólogo, Magíster en Análisis de Problemas Políticos, Económicos e Internacionales (IAED), Magíster en Estudios Políticos (Pontificia Universidad Javeriana) y candidato a Doctor (Universidad de Leipzig) Correo electrónico: lfvega@javeriana.edu.co.

Recibido: 06/05/2012, Aprobado evaluador interno: 21/06/2012, Aprobado evaluador externo: 03/08/2012


Resumen

En el caso colombiano, la centralización del poder a través de la dependencia del sistema jurídico y el poder legislativo en relación con el poder ejecutivo puede ser considerada como una constante histórica desde el inicio del proceso de construcción nacional. Los regímenes autoritarios plantean, bajo la figura del presidente hasta el final de siglo XX, el problema no resuelto de la ciudadanía. En este sentido, es evidente que el sistema presidencial en Colombia está permanentemente sujeto a una consolidación de la imagen de una situación de absoluta crisis, la cual se basa en la racionalidad del gobierno para implementar medidas más radicales de carácter administrativo. El poder soberano se encarna en estas fases de las imágenes republicanas en Colombia, por medio de las figuras de los presidentes Álvaro Uribe y Rafael Núñez. Su discurso y las prácticas de gestión son los elementos centrales para el análisis político de este artículo.

Palabras clave: Biopolítica, poder soberano, crisis social, gobernabilidad, liberación, salvación, ciudadanía, presidencialismo, presidente, orden social.

Palabras clave descriptor: Biopolítica, ciencia política, poder político, crisis política, gobernabilidad, presidentes colombianos


Abstract

In Falls Kolumbien, die Zentralisierung der Macht durch eine Abhängigkeit der judikativen und der gesetzgebenden Gewalt von der exekutiven Gewalt kann als eine historische Konstante seit dem Beginn des nation-building-Prozesses angesehen werden. Die somit etablierten autoritären Regierungsformen (in Figur des Präsidenten) konnten bis zum Ende des 20. Jahrhunderts das Problem der Bürgerschaft nicht lösen. In diesem Sinne ist auffällig, dass das Präsidialsystem in Kolumbien immer dann eine Konsoldierung erfährt, wenn es sich im Zustand einer absoluten Krise befindet, wodurch die Rationalität der Regierungsarbeit auf immer radikalere Maβnahmen in den Verwaltungspraxen zurückgreift. Die souveräne Macht verkörpert sich in diesen Phasen des republikanisches Bildes Kolumbiens in den Präsidenten Rafael Núñez und Álvaro Uribe. Ihre Diskurse und angestrengten Verwaltungspraxen stehen damit im Mittelpunkt der Politische Analyse des dieses Artikel.

Schlüsselworte: Biopolitik, Souveräne Macht, soziale Krise, Regierungsarbeit, Befreirung, Erretung, Erlösung, Citoyanité, Präsidialsystem, Präsident, soziale Ordnung.

Schlagwörter: Biopolik , Politikwissenschaft, Politische Macht, Politische Krise, der Präsidenten von Kolumbien


Abstract

In Colombia, the centralization of power through legal system dependency and legislative power in relation to the executive power can be considered as a historical constant since the beginning of the nation buildings process. Authoritarian regimes propound under the figure of president until end of 20th century the unsolved problem of citizenship. In this sense, it is clear that the presidential system in Colombia is permanently attached to a consolidation of image about an absolute crisis, which is based on the rationality of the government to implement more radical administrative measures. Sovereign power is embodied in these phases of Republican images in Colombia through the figures of Presidents Alvaro Uribe and Rafael Núñez. Their speeches and management practices are central to the political analysis of this article.

Key Words: Biopolitcs, Sovereign Power, Social Crisis, Governability, Liberation, Salvation, Citizenship, Presidentialism, President, Social Order.

Keywords plus: Biopolitics, politics science, political power, political crisis, governance, colombian presidents

SICI: 0122-4409(201301)18:1<145:DPKEBA>2.0.TX;2-U


Einleitung

Gegenstand der Analyse dieser Artikel ist das Präsidialsystem in Kolumbien. Bislang ist diese politisch Ordnung vor allem von Vertretern eines evolutionären, eines historischen oder eines institutionsgeschichtlichen Ansatzes einer Analyse unterzogen worden. Der tradierte Blick auf das Präsidialsystem brachte innerhalb der wissenschaftlichen Schulen Kolumbiens zwei bekannte Perspektiven hervor, die evolutionäre und die marxistische Perspektive.

Die evolutionäre Perspektive betrachtet das Präsidialsystem im Schema eines evolutionären Prozesses, an dessen Ende eine gefestigte juristische Struktur des Staatsgebildes ebenso steht wie eine fest etablierte Idee der Nation, die im Konzept der Bürgerschaft aufgeht. Das Hauptproblem dieser Perspektive besteht in der Fokussierung auf nur eine soziale Ordnung, die diesem evolutionären Prozess zu Grunde liegt. Diese soziale Ordnung umfasst die Erzählungen und Protagonisten der „weiβen" Oberschicht Kolumbiens. Unberücksichtigt bleiben die nicht zum Estaiblishment gehörenden Gruppen der Bevölkerung, die sich aus „schwarzen" oder indigenen zusammensetzen. In der Folge leistet dieser Ansatz keine Erklärung für die offensichtliche materielle wie symbolische Anordnung der Individuen im Raum nach „rassischen" Gesichtspunkten. Ferner blendet dieser Ansatz das damit verbundene Problem der institutionellen Krise aus.

Die marxistische Perspektive erkennt die materielle wie symbolische Raumordnung auf der Grundlage „rassischer" Gesichtspunkte an, sieht aber die Idee der Bürgerschaft nicht als eine juristische Kategorie an. Die mit der Raumanordnung verbundenen sozialen Auseinandersetzungen werden als Ausdruck von antagonistischen Gegensätzen gedacht, die sich auf der Basis der Eigentumsverhältnisse in der Form von Klassenkämpfen entfalten. Das mit den sozialen Auseinandersetzungen verbundene Problem der institutionellen Krise wird seitens der marxistischen Perspektive als ein Ergebnis einer einseitigen Interessenpolitik aufgefasst, die der Durchsetzung der materiellen Interessen der „weiβen" Oberschicht dient. Da zwischen beiden tradierten Positionen kein ernstzunehmender wissenschaftlicher Meinungsstreit mehr stattfindet, schlage ich vor, das theoretische Konzept der Biopolitik als Novum in die Debatte um die Analyse des Präsidialsystems in Kolumbien einzuführen, denn das Problem der institutionellen Krise kann in seinem Verhältnis zur Anordnung der Individuen im Raum nach „rassischen" Gesichtspunkten und in seinem Verhältnis zum Konzept der Bürgerschaft fruchtbar gemacht werden.

In diesem Sinne wurde die nationale Einheit in Kolumbien durch eine politische Verfassung garantiert, die als Ergebnis aus der letzten Periode des Bürgerkrieges zwischen den regionalen Führern im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hervorging. Diese als „Erneuerung" bezeichnete Periode (Valencia Villa, 1987, S. 69-72), in der die Macht des Präsidenten ausgebaut wurde, um qua Verfassung von 1886 das Präsidialsystem als zentrale Macht zu etablieren. Der erste Präsident dieser Periode war Rafael Núñez, der als der „Reformator" galt. Zur Charakterisierung dieser Periode bemühte er das Bildeiner starken nationalen Identität, die mit Hilfe der katholischen Morallehre vermittelt und damit im Erziehungssystem fest verankert wurde (Lemaitre, 1990, S. 93ff). Den Kirchen kam dabei die Aufgabe zu, sich sowohl um den Inhalt der Erziehung als auch um die administrativen Formen der Erziehung zu sorgen. Der Katholizismus wurde zur Staatsreligion ausgerufen und stellte die einzige Religion dar, die auszuüben zulässig war. Gúzman deutet diesen Prozess der „Erneuerung" als die Etablierung einer zentralisierten Regierungsform, bei der die Figur des Präsidenten zu einem Halbgott ernannt wurde: „The concentration of formal power in the central government and the executive has led some scholars to characterize the Colombia President as a "Demi-God" (Gúzman, 2002, S. 474).

Dieser Diskurs war in der republikanischen Periode grundlegend für die Kontinuität einer Idee der Souveränität sowie der gesetzmäβigen Abfolge von Präsidenten, Generälen und Diktatoren. Das Bild Gottes als Prinzip der Wahrheit bildete zusammen mit der Armee als administrativer Struktur die Basis für die soziale Ordnung. Beide Momente legten die Grundlagen für eine Raison d'État, die auf dieser Ordnung basiert (Thibaud, 2003, S. 216). Nach dem formalen Ende diktatorischer Regierungsformen kam es 1960 innerhalb des politischen Systems Kolumbiens zu einer Vereinbarung über die Befriedung des Landes, der ein politischer Charakter des Ausnahmezustands zukam und der als „Nationale Front" bekannt wurde. Nach dieser Vereinbarung hatten die konservative und die liberale Partei eine Verfassungsreform mit dem Zweck der Normalisierung durchgeführt, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten (Abel, 1987, S. 34). Dazu wurde festgelegt, dass die „Nationale Front" sich nur aus konservativer und liberaler Partei zusammensetzte, d.h. andere Parteien nicht zugelassen wurden. Die Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst oder in der Verwaltung des Staates fiel somit auch nur in ihre Zuständigkeit. Wer nicht zu dieser Vereinigung gehörte, konnte auch keinen solcher Arbeitsplätze bekommen.

Álvaro Uribe hat das Bild des Präsidenten in Kolumbien gestärkt. Er benutzte dazu eine ähnliche Strategie wie sie bereits von Rafael Núñez im ausgehenden 19. Jahrhundert verwendet wurde. Allerdings hat Uribe einige Veränderungen eingeführt, um die Krise der Regierbarkeit des kolumbianischen Staates zu überwinden (Kuchartz, 2006, S. 45-57). Neu ist die Art und Weise der Mediennutzung. So gebraucht Uribe in seiner Kommunikation mit der Bevölkerung kurze Botschaften, an die sich jeder Bürge erinnert. Seine politischen Reden sind gekennzeichnet durch die Verwendung patriotischer Metaphern wie etwa „das Vaterland", „die Nation" oder „die Soldaten des Vaterlands". Er prägte einen Diskurs mit doppelter Funktion: Einerseits ist bei ihm die Rede von „einem Staat der Gemeinschaft", der nichts mit der liberalen Tradition der Gemeinschaft zu tun hat, und anderseits macht er sich für „die demokratische Sicherheit" stark, die er als die institutionelle Fähigkeit der Armee, das Territorium zu befreien und die Gesellschaft vor dem Aufstand zu beschützen, verstanden wissen will. Kurz, der Regierungsstil Uribes kann als populistisch bezeichnet werden, denn seine Strategie arbeitet mit den Elementen des Populismus. Und diese Elemente dienen dem Zweck der Kontrolle über die Bevölkerung, damit eine Regierbarkeit des kolumbianischen Staates gewährleistet ist. Folgende Elemente sind dafür kennzeichnend: 1) Gezielte Ausnutzung des Ausnahmezustand, um neue Gesetze zu erlassen, mit denen die Struktur zur Kontrolle des inneren Feindes (z.B.: Guerrilleros, Terroristen, Menschenrechts-NGO's) gestärkt werden kann. 2) Gezielter Einsatz von moralisierenden Sprachelementen mit Bezug auf die Nationale Einheit, was praktisch eine Homogenisierung der Bevölkerung darstellt. 3) Gezieltes Ausnutzen der Fähigkeiten der Armee zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung. Im Folgende werde ich auf die Biopolitik als Rahmen der Analyse eingehen.

Die Biopolitik als neues theoretisches Werkzeug des Präsidialsystems

Die moderne Tradition der Souveränität seit Hobbes „Leviathan" hatte versucht, jede mythisch-religiöse Bedingung als ersten Zustand der Gesellschaft zu disqualifizieren. Mit der Unbrauchbarkeit des mythisch-religiösen Konzeptes als erster Bedingung gesellschaftlichen Zusammenlebens von Menschen fehlte es an Vielfalt von Interpretationen, um den Krieg als Basis souveräner Machtausübung zu erklären. Aus diesem Grund stellt Hobbes den Krieg als Bedingung gesellschaftlichen Zusammenlebens an die mythisch-religiöse Leerstelle. Die souveräne Macht, aus der sich die notwendigen staatlichen Strukturen - bei Hobbes ausgedrückt durch die Figur des Leviathan - ergeben, die den Frieden zwischen den Mitgliedern der Bevölkerung sichern sollen, hat ihre Quelle in einem mechanistischen Weltbild, wobei der Mechanismus, der das gesellschaftliche Zusammenleben regelt, von einem Gott geschaffen ist. Ausgehend von dem Postulat des Naturzustandes, demnach Menschen sich innerhalb einer natürlichen Ordnung kriegerisch bewegen, ist es Aufgabe des Königs, den Migliedern (seines) Gemeinwesens die zum Überleben notwendigen Rechte zuzusichern, die sie sich untereinander nicht zugestehn. Der von Gott geschaffene Mechnismus wird durch die Königsgewalt derart represäntiert, so dass die Quelle souveräner Macht sich durch die göttliche Ordnung in der Königsherrschaft manifestiert (Jäger, 1985, S. 123ff). In diesem Sinne kann die Königsgewalt als eine messianische Form der Souveränität aufgefasst werden, die im Sinne des Monotheismus alle Orientierungen der Mitglieder des Gemeinwesens auf sich zu vereinigen sucht. Die mythisch-religiöse Leerstelle wird realiter nur ersetzt durch eine weltliche Macht, die selbst eine gottgegebene Ordnung als Quelle souveränen Handelns postuliert.

Die Hobbsche Konzeption politischer Rationalität öffnet auf diese Weise der juriden Situation des Ausnahmezustandes Tür und Tor. Die politische Rationalität des modernen Staates braucht diese juride Kategorie der römisch-juristischen Tradition nach Hobbes, um die Kontinuität der Regierungsarbeit, d.h. insbesondere den Erhalt souveräner Macht, langfristig zu gewährleisten. Der Herrscher kann in der Tat das Gesetz durch das Gesetz selbst auβer Kraft setzen und so dessen Funktionalität aufzeigen. Die Möglichkeit, das Gesetz auβer Kraft setzen zu können, ist wiederum ein Mechanismus der Reproduktion der souveränen Macht: „Die souveräne Entscheidung zeichnet und erneuert diesen Raum der Gleichgültigkeit zwischen dem Äuβeren und dem Inneren, dem Ausschlieβen und dem Einschlieβen, nomos und physis, wo das Leben ursprünglich zu finden ist wie eine Ausnahme im Recht. Es gibt keinen Ausdruck für diese Situation" (Agamben, 2003, S. 42).

Die Souveränität ergänzt ihre Fähigkeit zur Kontrolle über die Vielfalt des Lebens dank ihrer produktiven und verwaltenden Gestalt. Bataille zeigt, dass die Souveränität darin besteht, die Macht zu haben, sich gleichzeitig vor dem Tod zu behaupten, jenseits der Gesetze, die das Fortbestehen des Lebens sichern (Scott, 2007, S. 93). Das Geld ist der Faktor, der die Gleichzeitigkeit der Entwicklung des Kapitalismus als produktiven Mechanismus garantiert. Das Geld macht die Gesellschaft homogen in Bezug auf das Leben. Bataille sagt: „Der Kampf auf Leben und Tod um die souveräne Würde war ehemals im Wesen der Souveränität enthalten. Souverän war per definitionem, wer in Extremfällen den Glanz der Souveränität dem Leben vorzog" (Bataille, 1978, S. 65).

Wie verbindet sich nun aber die Form der Herstellung von Gesetzen mit einer verwaltenden Rationalität über das Leben? Wie verwandelt sich diese Relation in eine politische Rationalität (Regierungsarbeit) und durch welchen Mechanismus gelingt es, dieser Relation sich im Leben der Individuen zu materialisieren? Antworten auf beide Fragen finden wir bei Foucault.

In „Kritik der politischen Rationalität" (1978) liefert Foucault eine Beschreibung einer Art und Weise des Regierens unter dem Stichwort „die Macht der Hirten". Die Regierung, die auf der jüdisch-christlichen Tradition basiert, legt einen besonderen Mechanismus für diese Relation fest. Der „Hirte" der Herde unterhält eine persönliche Beziehung mit jedem Mitglied der Gruppe, aber gleichzeitig legt er eine Form der Herrschaft über das Ensemble fest (Foucault, 1979, S. 132). Der Herrscher als Mittelpunkt der sozialen Ansammlung und Homogenisierung ist nichts anderes als der Ursprung einer Einrichtung der Regierung. Die materielle Macht des Herrschers zum Regieren, d.h. seine Regierbarkeit, erfasst darum das Leben der Individuen (Foucault, 1979, S. 136). Diese Veränderung begründet eine neue materielle Bedingung, die den Handlungsrahmen für die Herrschaft festlegt. Die neue materielle Grundlage der souveränen Macht, auf welche ihre Rechtmäβigkeit basiert, ist das Leben der Individuen. Die Umkehrung der instrumentellen Rationalität der Souveränität besteht nun nicht mehr im Sterben-und Lebenlassen, sondern im Leben- und nicht Sterbenlassen (Foucault, 1984, S. 133).

Wie ich im Zusammenhang mit Bataille erwähnt habe, siegt die Souveränität über den Tod, aber in der neuen von Foucault festgestellten Relation erfolgt dieser Sieg, weil ein Interesse der Regierung für das Leben besteht. Dadurch verwandelt sich das Leben in ein Objekt für die Regierung, welches im Liberalismus eine produktive Funktion entfaltet.

Damit wird der Fortbestand der Souveränität festgelegt. Die Sicherheit als rechtmäβige und organisierte Gewalt begriffen, verwandelt sich in jenen Faktor, der dem Leben seine Produktivität sichert. Die Handlung der Regierung selbst als Offenbarung der Souveränität besteht nun darin, sie innerhalb des produktiven Funktionalismus zirkulieren zu lassen (Foucault, 2004, S. 192). In diesem Sinne bildet der Staat die Vereinigung einer Gruppe von Mechanismen zur „Normalisierung", die die Macht des Herrschers über das Leben der Individuen erweitern. Mit einem Wort, der Staat muss das Leben durch seine produktive Funktion beschützen, denn die materielle Macht des Staates basiert auf dieser produktiven Funktion des Lebens (García, 2006, S. 88). Diese Macht wird durch eine Welle von Kämpfen und Auseinandersetzungen festgelegt, welche alle Individuen innerhalb der sozialen Verhältnisse erfasst. Aus diesem Grund ist es wichtig die Verwaltungspraxen über das Leben als Regierungstechnik zu erklaren.

Verwaltungspraxen als Regierungstechnik

Um die Veränderung der Souveränität in der Moderne zu begreifen und sie bei der Analyse des Staates und die symbolische Beschaffenheit des Herrschers verwenden zu können, ist es notwendig, den Liberalismus als politische Rationalität zu begreifen. Foucault behauptet, dass der Liberalismus eher eine Methode als eine Ideologie darstellt (Foucault, 2002, S. 132). Diese Behauptung bezieht sich auf die Form, mit Hilfe der die lebenswichtigen Aspekte der Individuen verwaltet werden. Die Leistung der liberalen Rationalität besteht darin, das Leben in den mechanischen Ablauf der Produktion eingeführt zu haben, dies mit dem Ziel, das Leben in einen Produktionsfaktor zu verwandeln (Stoler, 1995, S. 101).

Die Form der Verwaltung der Individuen bringt diese gemeinsam auf den Nenner lebenswichtiger Phänomene, wozu die Bevölkerung als ein kollektives Subjekt aufgefasst wird. Der Liberalismus legt die Form der Bevölkerung als eine Bedingung für die Existenz des Staates fest. Der Staat ordnet das Ensemble von Einrichtungen, die mit dem menschlichen Leben zusammenhängen. Durch die eigene Struktur garantiert der Staat das produktive Funktionieren, was Foucault so ausdrückt:

Aujourd'hui, le problème frontalier ne se pose guère. Ce que l'État propose comme pacte à la population, c'est : « Vous serez garantis» Garantis contre tout ce qui peut être incertitude, accident, dommage, risque. Vous êtes malade? Vous aurez la Sécurité sociale ! Vous n'avez pas de travail? Vous aurez une allocation de chômage! Il y a un ras de marée ? On créera un fond de solidarité! Il y a des délinquants? On va vous assurer leur redressement, une bonne surveillance policière. (Foucault, 1994, S. 385)

Die neue Charakterisierung der Biopolitik besteht darin, eine zentralisierte Macht zu gründen, die operativ wirkt. Diese schöpft ihre Funktionalität aus der legal-illegal Sphäre, so dass das Normale und das Unnormale unter einer binären Bedingung erzeugt werden (Foucault, 1994b, S. 301). So kann man auf das Unnormale reagieren und damit die Notwendigkeit einer Ordnung hervorbringen. Die neue produktive Verwaltung der Individuen, die in der Form der Bevölkerung versammelt werden, enthält die Notwendigkeit einer Zentralisierung der Macht durch die rechtmäβige, weil staatliche Gewalt. Die Fähigkeit der Regierung besteht in der Beziehung zwischen der Sicherheit und der produktiven Zirkulation der Güter, nachdem die Funktionalität der Bevölkerung als ein Ensemble konstituiert wurde. Die Bevölkerung wird zum Objekt der Regierung auf der Basis von drei Faktoren: 1) die Bevölkerung verwandelt sich in ein politisches und wissenschaftliches Problem; 2) der Schutz des Lebens der Bevölkerung wird zu einer politischen Macht; 3) Es werden Mechanismen wie die Statistik entworfen, um Einflüsse auf allgemeine Phänomene festzulegen. Die Regierung muss schlieβlich als ein Prozess verstanden werden, der die Regulierung des Lebens des Volkes sichert (Kerchner, 2006, S. 214).

Wenn ich die Bezeichnung Volk gebrauche, so setze ich ein Objekt, dass es zu analysieren gilt: „Bevölkerung" in Foucaults Sinne. In diesem Schema der Herrschaft bildet die Nation die moralische Projektion des Staates. Das zeigt ganz deutlich der Gedanke von Ernst Renan. In seiner Schrift „Was ist eine Nation?" behauptet er, dass die Nation eine moralische und geistige Abmachung darstellt, welche tagtäglich von den Individuen unterschrieben wird (Kerchner, 2006, S. 217). Diese besitzt einen historischen Charakter, der das mangelnde Prinzip der Geschichtlichkeit rechtfertigt. Daher erklärt sich das Zitat aus dem spartanischen Gebet, welches von Renan verwendet wird: „Wir sind, was Ihr gewesen seid, und wir werden sein, was Ihr seid". So werden Nation und Staat als eine Einheit angesehen, welche in der Gestalt des Regierenden zum Ausdruck kommt. In diesem Sinne schreibt Foucault:

Lo que hace que el poder se aferre, que sea aceptado, es simplemente que no pesa como una fuerza que dice no, sino que de hecho circula, produce cosas, induce al placer, forma saber, produce discursos; es preciso considerarlo más como una red productiva que atraviesa todo el cuerpo social que como una instancia negativa que tiene como función reprimir. (Foucault, 1994, S. 48)

Die „Bevölkerung" verbindet sich mit den nationalen Symbolen und den historischen Werten und sichert damit die Regulierung von sich selbst als Bevölkerung. Dieser Prozess erhält so Normalität, so dass das historische Vorhaben eines Fortbestehens der Nation stabil ist. Innerhalb dieser Beziehung spielt der Regierende die Rolle eines Friedensstifters und Erzeugers der Bedingungen zum Fortbestehen des Lebens (Foucault 1997, S. 88).

Durch den Regierenden erhält die Bevölkerung die Form einer diskursiven Darstellung. Hier werden "Wahrheiten" formuliert, die die Entwicklung jener Praktiken der Diskriminierung darstellen, die sich durch Exklusion oder Integration ergeben. Dadurch wird es möglich, eine Rationalität zu ordnen und festzulegen, die das Beeinflussen der Bevölkerung erlaubt. Das Ganze wird auf der Basis von Diskursiven formuliert, die Räume schaffen, an denen die politischen Subjekte als politische Objekte für die Regierung konstituiert werden (Kleinman, 1998, S. 72). Der politische Diskurs des Regierenden besitzt die Eigenschaft, die Realität zu organisieren oder die Gewalt und die Konflikte zu verbergen, die in den sozialen Verhältnissen zum Ausdruck kommen. Die Wahrnehmung der sozialen Kontrolle garantiert also ein Bild der politischen Organisation und Stabilität, welches die Rechtfertigung für die staatlichen Gewalttaten und für die Mittel verwaltende Natur liefert, welche vom Staat gebraucht wurden; und das alles geschieht auf der Basis von moralischen Maβnahmen, die von der Situation des regierenden Führers geschaffen werden (Miller, 1993, S. 331). In richtung der Analyse muss ich die Anwendbarkeit der Biopolitk als Herrschaftsinstrument für die Analyse etablieren, die in Bezug auf die Verständnis der politische Institutionen deutlich machen.

Zur Anwendbarkeit: Biopolitik als Herrschaftsinstrument für die Analyse des Präsidialsystems

Elemente für die Analyse sind die politischen Institutionen, Diskurs und historische Analyse, die für den biopolitischen Ansatz als ein theoretisches Mittel und Werkzeug der Analyse dienen. Drei Ebenen sind für die biopolitische Analyse zu nennen: 1) Charakterisierung der Form der Souveränität in ihrer diskursiven Eigenschaft. 2) Entstehung von Regierungsformen und ihrer Entwicklung im Versuch, die Verwaltung der Bevölkerung zu zentralisieren. 3) Rolle der Erzählungen zum Zwecke der Etablierung eines historischen Gedächtnisses.

Was die erste Ebene der Analyse betrifft, so muss gezeigt werden, dass einerseits der Diskurs über die Souveränität die Kontrolle über das Territorium voraussetzt und andererseits die Bereitschaft der Bevölkerung, sich Kraft des Gesetzes regieren zu lassen, gegeben ist (Foucault, 1976, S. 123-125). Die Beziehung zwischen Souveränität und Gewalt geht davon aus, dass die Macht auf der Basis der Beziehung vom Einschlieβen und Ausschlieβen der Bevölkerung ausgeübt wird, wobei die Gestalt des Herrschers den Mittelpunkt bildet. Das Regieren ist in der Tat nur möglich, wenn die Macht des Herrschers alle Einwohner des Territoriums erfasst, ausgehend von der eigenen Repräsentation.

Derjenige, der die Macht ausübt, ist in der Lage, sich selbst physisch oder symbolisch von den Grenzen des Gesetzes zu befreien, die als ein Ausdruck der Souveränität über des Territorium und die Bevölkerung bestehen. Der Präsident kann innerhalb des Präsidialsystems der modernen Demokratien zum Objekt eines juristischen Prozesses werden, wobei dem Präsidenten dabei kein Sonderrecht beikommt (Owen, 1994, S. 173).

Die Dritte Ebene der Analyse bezieht sich schlieβlich auf jene Rolle der Erzählung, die aus einer linienförmigen Konstruktion der Ereignisse entsteht und mit einer Reihe von Mechanismen der Repräsentation mit dem Ziel arbeitet, eine kollektive Meinung zu bilden (Foucault, 1977, S.148ff). Die Produktion des Nation-Diskurses setzt die Freiheit und die Vereinbarung voraus, welche die historische Erzählung der patriotischen Geburt begründet. Es ist ein Moment der Geburt oder der Gründung der Nation, doch das Wesen dieser Nation selbst kann als zeitlos angesehen werden, weil es sich um eine ideologische Konstruktion über den Zweck des Volksgeistes handelt. Mit Foucault kann die Basis dieser Ebene so beschrieben werden:

Cada sociedad posee su régimen de verdad, su política general de la verdad; es decir, define los tipos de discursos que acoge y hace funcionar como verdaderos; los mecanismos y las instancias que permiten distinguir los enunciados verdaderos o falsos, la manera de sancionar a unos y a otros; las técnicas y los procedimientos que son valorados en orden a la obtención de la verdad, el estatuto de quienes se encargan de decir qué es lo que funciona como verdadero. (Foucault, 1999, S. 53)

Im folgende etabliere ich die Kriterienkatalog der Analyse der Diskursproduktion in Bezug auf die Zentralpunkt der Diskursanalyse.

Kriterienkatalog der Analyse der Diskursproduktion

Von Interesse ist, dass der Arme als fester Bestandteil liberaler Deutungsmuster des gesellschaftlichen Zusammenlebens auftritt (Lenke, 2007, S.92). In diesem Zusammenhang führt Foucault einen neuen Begriff ein, der die liberale Position in den Wirtschaftswissenschaften beschreibt: Rationalität der Regierbarkeit (gouvernement-rationalisation). Foucault sagt:

Le libéralisme est analyser alors comme principe et méthode de la rationalisation de l'exercice du gouvernement-rationalisation qui obéit, et c'est là sa spécificité, à la règle interne de la économie maximale. Alors que toute rationalisation de l'exercice de gouvernement vise à maximaliser ses effets en diminuant, le plus possible, le coût (entendu au sens politique non moins qu'économique), la rationalisation libérale part du postulat que le gouvernement (il s'agit là, bien sûr, non pas de l'institution «gouvernement», mais de l'activité qui consiste à régir la conduite des hommes dans un cadre et avec des instruments étatiques) ne saurait être, à lui-même, sa propre fin. Il n'a pas en soi sa raison d'être, et sa maximalisation, fût-ce aux meilleurs conditions possibles, n'a pas à être son principe régulateur. (Foucault, 1994, S. 132)

Die Ideologie der Gewinnmaximierung funktioniert nur unter der Voraussetzung, dass der Arme existiert. Gibt es es keinen Akteur, der verliert, kann es auch keinen Akteur geben, der die Gewinne vereint. Einerseits dient diese liberale Position in den Wirtschaftswissenschaften als „objektiver" Lieferant für eine allgemein anzuerkennende Konstruktion von Lebensrealität, andererseits braucht die liberale Politik diese „objektive" Meinungsproduktion, um ihre postkoloniale Machtposition zu schützen und gegebenenfalls auszubauen (Procacci, 1995, S. 278). Dies ist, was Foucault mit dem Ausdruck Rationalität der Regierbarkeit meint: Was als objektive Meinung erscheint, da sie wissenschaftlich fundiert daher kommt, wird in die politische Rhetorik derart integriert, dass sie, beobachtet über einen längeren Zeitraum, als eine Konstante der Regierungsarbeit nachweisbar wird, weshalb ich die Zeitspanne zwischen der Amtszeit von Rafael Nunez und Alvaro Uribe fokusiere. Im nächsten Titel soll diese Konstante der Regierungsarbeit - oder in den Worten Foucaults: Rationalität der Regierbarkeit - im postkolonialen Kolumbien untersucht werden. Drei Fragen werden dabei leitend sein: Wie werden die Objekte der Regierbarkeit (d.h. die Individuen im Staatsgebilde seitens der Exekutive) definiert? Inwiefern ist diese Setzung mit dem Bild des Fortschritts und des Wohlstandes verbunden? Wie lassen sich Produktion und Planung der Organisation von Bevölkerung hinsichtlich ihres Funktionierens innerhalb der ökonomischen Sphäre nachweisen?

Das Image einer Nation ergibt sich nicht aus dem Nichts, es muss hergestellt werden. Auf der Grundlage von gemeinsamen Praktiken und verbindlichen Erzählungen wird das Bild von einer homogenen Gesellschaft konstruierbar. Eine solche Konstruktion dient entsprechend sinnvoll als Mechanismus zur Etablierung einer kollektiven Identität (Müinkler, 2005, S. 35). Die nationale Identität entspricht der kollektiven Vorstellung von der Nation, die qua Erzählungen und Praktiken eingeübt ist und sich in Form einer symbolischen Gestalt institutionalisiert. Der auf diese Art und Weise produzierte normative Charakter des Nationenkonzepts sorgt für eine Klassifikation der Individuen auf der Grundlage eines Gefühls der Einstimmigkeit, d.h. des gemeinsamen Glaubens an die Nation (Mühle, 2008, S. 169). Dieser gemeinsam eingeübter Glaube an die Nation ist als fester Bestandteil des Präsidialsystems hervorzuheben. Die Bereitschaft der Bevölkerung, die Regierungsform „Präsidialsystem" immerfort anzunehmen, d.h. zu bestätigen, erlaubt der Exekutive sich als die beste aller Staatsformen zu vermarkten. Foucault drückt diesen Gedanken so aus: „En général, on privilégie le pouvoir d'État. Beaucoup des gens pensent que les autres formes du pouvoir en dérivent. Or je pense que, sans aller jusqu'ä dire que le pouvoir d'État dérive des autres formes du pouvoir, il est au moins fondé sur elles, et ce sont elles qui permettent au pouvoir d'État d'exister" (Foucault, 1994, S. 533).

Als eine besondere Form der nationalen Identität, d.h. des gemeinsamen Glaubens an die Nation, muss die imaginierte Gewalt gelten. Es ist die ästhetische Erscheinung von Gewalt, in ihrer materialisiert ausgeübten wie in ihrer bloβ angedrohten Form1. In beiden Fällen dient die Gewalt als Mittel zum Zweck, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Die ästhetischen Mittel beiderlei Formen von Gewalt können als tief verankert im „Nationalbewusstsein" gelten. Dass Angst zu leben als gemeinsame Praxis der Individuen eines Staatsgebildes in den Fokus biopolitischer Theoriebildung gerückt werden sollte, deutet sich ebenfalls in den Überlegungen Foucaults an:

La loi ne naît pas de la nature, auprès des sources que fréquentent les premiers bergers; la loi naît des batailles réelles, des victoires, des massacres, des conquêtes qui ont leur date et leur héros d'horreur ; la loi naît des villes incendiées, des terres ravagées ; elle naît avec les fameux des innocents qui agonisent dans le jour qui se lève. (Foucault, 1997, S.43)

In diesem Sinne ist das Gesetzt als Ergebnis von Gewaltandrohung und -ausübung anzusehen. Zu fragen bleibt, inwiefern die Etablierung von Herrschaftssouveränität die Produktion von Opfern erforderlich macht?, und wie dieses Gewaltordnung durch das Präsident erscheint kann? In Sinne diese Frage, ist es wichtig die Themen der Diskursproduktion etablieren, als Positive Bedingungen (Müller, 2004, S. 101).

Machtsicherung der Analyse des Präsidialsystem: Themen als Positive Bedingungen der Diskursproduktion

Eine Analyse der öffentlichen Meinung am Beispiel der Tageszeitungen offenbart für das 19. sowohl als auch für das 20. Jahrhundert das Phänomen, dass das Stichwort "sozial Krise" in beiden Epochen den zentralen Topos abgibt. Zu beiden Augenblicken illustrieren die groβen elitären Blätter - El Deber und El Tiempo - die "soziale Krise" anhand der Themen (a) Krise des Parlaments, (b) nationale Einheit, (c) Stabilität und Verfassung, (d) Religion und Staat, (e) Armee und Sicherheit. Dabei fällt auf, dass die Erzeugung eines konstanten Krisenzustandes Zweck der Darstellungsweise ist.

Nationale Einheit

De fakto bedeutet das Regierungskonzept „nationale Einheit" die Umsetzung eines Elitegedankens, bei dem es nicht um die Beteiligung der Bevölkerung in demokratisch gewählten Gremien geht. Die strategische Orientierung des Programmes ist die Einführung einer neuen ökonomischen Politik, die soziale Gruppen der Bevölkerung bewusst ausschlieβen sollte, die kein Eigentum an Boden haben beziehungsweise in noch ungeklärten Rechtsverhältnissen zu einem bewohnten Gebiet stehen (Ortega, 1997, S. 76). Das produzierte Bild von einer „sozialen Krise" dient dabei als Bezugspunkt -als ein gemeinsamen Nenner - auf den sich alle Parteien festlegen können, ohne mit ihren eigenen Werten in Begründungsschwierigkeiten zu geraten. Die überparteiliche Zusammenarbeit aller Parteien unter der Führung des Präsidenten gibt das Bild von einem funktionierenden Staatswesen ab, das für keine der Fraktionen als undemokratisch eingeschätzt zu werden braucht, da die „nationale Einheit" die überparteilichen Interessen der Raison d'État wahrnimmt.

Zum Ende des 19. und zum Ende des 20. Jahrhunderts wird seitens des Präsidenten der Versuch unternommen, für das Regierungskonzept „nationale Einheit" Fürsprecher zu gewinnen (Bustamante, 1980, S. 37). Die Werbemaβnahmen erfolgen unter Verwendung der medialen Öffentlichkeit, um das Konzept als Instrument zur Überwindung der Krise fest zu etablieren. Realiter hatte das Projekt in beiden Zeitphasen keinen Erfolg. Wir können aber die Struktur des Diskurses betrachten.

In beiden Zeitphasen zeichnet sich die Diskursproduktion durch eine Angst vor der Bevölkerung aus. Die konstruierte Gefahr für die Nation wird in der Bevölkerung vermutet, weshalb der „psychologische" Zustand, in dem sich das Staatswesen befindet, auch stets als fragil in Szene gesetzt wird. Das „Armagedon", das allen Menschen drohe, ist das Ende der Nation, ihr Untergang. Und dieses Untergangsszenario beginnt und endet mit einer unbegründeten Aufzählung von Gefahren, die aus der Bevölkerung kommen, ein Szenario, das auf willkürlichen Zuschreibungen basiert.

Am Ende des 19. Jahrhundert waren die neuen Kommunikationstechnologien, die am Ende des 20. Jahrhunderts dem Präsidenten zur Verfügung stehen, noch nicht erfunden. Funktionäre der Werbekampagnen waren Politiker, die auf öffentlichen Plätzen oder Kirchenvertreter, die in ihren Gemeinden sprachen. So wurde auch dem Problem des Analphabetismus begegnet, denn die geschriebenen Worte in den Tageszeitungen waren der groβen Masse nicht zugänglich (República de Colombia, 1890, S. 345). Für unsere Zwecke aber sind sie ausreichendes Quellenmaterial, denn die Diskursproduktion hat in den geschriebenen Texten ihre Spuren hinterlassen. Blicken wir auf einen Textauszug einer Rede von Rafael Núñez, die in der Tageszeitung El Deber am 23. September 1879 abgedruckt wurde: „Vengan ustedes y denme a fundar un gobierno verdaderamente nacional que sea la expresión genuina de nuestra instituciones republicanas y democráticas.

Vengan ustedes a practicar honradamente esas instituciones y sean ustedes mismos una garantía de que la fuerza pública y la tesorería no se pondrán al servicio de proyectos criminales" (Núñez, 1879, 23, September).

Rafael Núñez wirbt hier aktiv für das Konzept „nationale Einheit". Adressaten seiner Rede sind die Bevölkerung, insbesondere aber die Vertreter der Eliten des Landes. Hauptmerkmal seines Diskurses ist es, dasjenige, was unter sein Regierungskonzept zu fassen möglich ist, auch als das „Wahre" und das „Richtige" zu behaupten. Die Exklusion aller alternativen Gestaltungsoptionen für Realpolitik basiert auf den Formeln der Beschwörung „wahrer" republikanischer und demokratischer Institutionen, bei der gerade die alternativen Optionen kriminalisiert werden. Polarisierung und Diffamierung stellen hierbei ein weiteres Merkmal des Núñez-Diskurses dar.

Im 20. Jahrhundert wird dieses Regierungskonzept um die Idee erweitert, die verwaltungstechnische Arbeit zu institutionalisieren. Staatliches Handeln soll vielmehr unabhängig von politischen Lagerkämpfen funktionsfähig sein. Der Journalist Rodrigo Pardo, gegenwärtig Minister für Arbeit in der Regierung Santos, stellt diesen Sachverhalt in seinem Leitartikel vom 6. Juli 2000 heraus: „El hecho es que ante la inexistencia de partidos, el gabinete ministerial adquiere un valor inmenso a la hora de construir gobernabilidad y margen de maniobra. Sobre todo cuando en la cabezafalta imaginación para echar mano de otrasfuentes de liderazgo, como las que se usan en otras latitudes" (Pardo; 2000, 6, Juli).

Pardo wirbt für das Konzept „nationale Einheit" mit dem Argument, dass eine souveräne Regierbarkeit nur dann erreicht werden könne, wenn die Arbeit der Ministerien autonom eingerichtet sei. Es ist dabei nicht notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den diversen politischen Parteien zuzuordnen (Semana, 2006, 13 Februar). Ihre Arbeitsbereiche stehen unabhängig zum politischen Tagesgeschäft. Implizit legt Pardo damit allerdings nahe, dass Stabilität resp. die „Einheit der Nation" nur dann als gesichert gelten kann, wenn die Parteien unter der Führung des Präsidenten sich entsprechend auch diszipliniert verhalten. Eine Verbesserung des Einflusses des Präsidenten auf die Öffentlichkeit und eine Festigung der Mittel für die Behandlung der Interessen sozialer, ökonomischer und politischer Natur in Bezug auf die Eliten muss hiernach klar als Kontrollmechanismus zu Gunsten des Präsidenten gewertet werden (Martínez, 1965, S. 22). In diesem Sinne ist das Diskurselement, das sich für die politische Unabhängigkeit verwaltungstechniker Arbeiten einsetzt, realiter ein Vorwand, um praktisch die Macht des Präsidenten zu stärken.

Ein weiteres Beispiel in dieser Reihe ergibt sich durch den Redebeitrag des Professors für Politikwissenschaft und Beraters der Regierung, Pedro Medellín:

Todos los sectores invocaban la conveniencia de un gabinete capaz de enfrentar las dificultades actuales y resolverlas. El perfil era claro: no solo se requería un gabinete político. Es decir, ministros con representación política (sectorial, territorial o de género), con experiencia y ascendencia sobre los partidos (para controlar el Congreso), los medios de comunicación (para regular la información) y los ciudadanos (para asegurar legitimidad). También se reclamaba un equipo con capacidad técnica para movilizar a la ciudadanía y el aparato público que les fue encomendado. En suma, se necesitaban ministros que pudieran dar forma a un proyecto nacional. (Medellín, 2000, 20, Juli)

Medellín sagt, dass die nationale Einheit die Kontrolle der Medien und die Kontrolle der Informationsinhalte im Interesse der Regierungsgewalt sicherstellen muss. Das nationale Einheitsprojekt braucht die Bürgerschaft als legitime Grundlage, auf der das Politikprogramm durchgesetzt werden soll. In diesem Sinne werden die medialen Möglichkeiten im Kontext der neuen Kommunikationstechnologien zu einer Institution der Macht, die eine wichtige Stütze der Regierungsarbeit darstellt.

Verfassungsreform

Mit dem Ausdruck „Verfassungsreform" bezeichne ich einen Vorgang, der seitens des Präsidenten zu seinen Gunsten, d.h. im Interesse des zentraliserten Verwaltungsapparates, angestrengt wird. In beiden Perioden des Untersuchungszeitraumes wurden bedeutende Verfassungsreformen durchgeführt. Unter Rafael Nuñez wurde die Verfassung von 1863 im Jahre 1886 in reformierter Form mit dem Ergebnis angenommen, die zentralisierte Macht einzuführen (Posada, 2006, S. 81). Die Verfassung von 1886 kann als Beginn des offiziellen Präsidialsystems in Kolumbien angesehen werden. Alvaro Uribe führte eine Reform der Verfassung von 1991 im Jahre 2004 mit dem Ergebnis durch, dem Präsidenten die Wiederwahl und damit eine zweite Amtszeit zu ermöglichen. In beiden Phasen ist zu beobachten, dass das Bild der „soziale Krise" herhalten muss, um die Macht des Präsidenten auch auf judikativer Ebene zu stärken. Im politischen Diskurs sind die Verwendungsweisen der Worte catastrofe und hecatombe Gestaltungsmittel, um die drohende Gefahr zu illustrieren, die der nationalen Ordnung, ihrer politischen Institutionen und der Demokratie insgesamt droht (Parra, 2003, S. 173). Dem Zerstörungsszenario wird eine stablie Regierungsarbeit entgegengesetzt, die nur ermöglicht werden kann, indem die Mittel der Regierungsarbeit in die Hände der zentraliserten Macht gelegt werden, der unter Umständen auch eine Verlängerung der Amtszeit eingeräumt werden darf (Parra, 2003. S. 24).

Rafael Núñez hatte in seiner Rede anlässlich des Beginns der Präsidentschaft von Julián Trujillo, Vertreter der liberalen Partei, am 8. April 1878 seine Gründe dargelegt, die bereits die zukünftigen Maβnahmen zur politischen Erneuerung vorweg nahmen:

La Historia nos enseña que todas las naciones han tenido periodos de crisis que han determinado el principio de su decadencia o han sido el punto de partida de un más acentuado progreso. La naturaleza de las soluciones funestas o redentoras, ha dependido probablemente de muchas circunstancias, porque en el mecanismo social todo es muy complejo; pero creo firmemente que entre estas circunstancias han ocupado el principal lugar el carácter e índole de los gobernantes, y también el grado de savia que aún conservaba latente en el alma de los pueblos. (El Deber, 1878. 8 April)

Der Bezug auf die Normalität von Krisen im Rahmen des nation-builing-Prozesses dient der Legitimation eigener Interessen. Der Appell an die Gefühle ordnet sich in ein Schema religiöser Praktiken ein, die eng mit dem verbalen Diskurs verbunden sind. Das aktive Vertreten von Konzepten wie „Erlösung" oder „Errettung" stellen ideologische Anleihen religiöser Provinienz dar, die Erwartungshaltungen wecken, welche durch die Gestalt des Präsidenten in der Rolle des Pantokrator bedient werden. Der "Führer" wird als in die Lage versetzt inszeniert, der den Herzenswünschen der Adressaten nachkommen kann, wie es die mythische Figur Jesus Christus konnte (Restrepo, 2007, S. 232).

Wie sieht ein solches sichals-Erlösergestalt-in-Szene-setzen aus? Hierzu liefert Rafael Nuñez in der Tageszeitung El Deber eine Reflexion über die damalige aktuelle Situation der politischen Institutionen in Kolumbien. In diesem Artikel verwendet er das Wort Katastrophe zum ersten Mal in Verbindung mit der Idee einer „moralischen Krise" des Landes (Echeverri, 2009, S. 41). Die Bedeutung des Wortes „Moral" entlehnt Nuñez dem Denken des mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin, für den die moralischen Werte die Grundlage der Politik abgeben. In diesem Sinne denkt Nuñez, dass die Aufgabe des Präsidenten darin besteht, die Führung der Gesellschaft im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich auf dieses Fundament zu stellen. In dieser Legitimationsschrift geht er auf das Bild des Präsidenten folgendermaβen ein:

El país se promete de usted, señor, una política diferente; porque hemos llegado a un punto en que estamos confrontando este preciso dilema: regeneración administrativa fundamental o catástrofe [...] Si la situación de la República fuera normal, yo me guardaría bien de emplear este lenguaje, pero nos encontramos en época extraordinaria que requiere condiciones excepcionales en el encargado de dirigir el movimiento administrativo general [...] Demostrad señor, en una palabra, que la moral política es la fuerza social que domina a todas las formas del progreso y restableced por ese medio la confianza que algunos han perdido en el poder generador de los principios. (El Deber, 1880, 27, Februar)

Auffälliges Merkmale dieser Inszenierungsstrategie ist die Projektionsfläche "El Pais", ein neutrales Wort, das Nuñez mit Prädikaten der emotionalen Teilhabe beansprucht, so dass von den drei Bedeutungen - "Land", "Vaterland" oder "Heimat" - letztere für den Nuñez-Diskurs relevant ist. Die klare Polarisierung zwischen Katastrophe und Reform der politischen Institutionen erzwingt die Macht der politischen Moral über die soziale Moral. Die "Heimat" wird zu einer spirituellen Erfahrung stilisiert, bei der dem Präsidenten die Eigenschaft des "Erleuchteten" zugesprochen wird. Ein solcher "Erretter" bietet die geeignete Waffe im Kampf gegen die "Unordnung", d.h. gegen das liberale System und die kommunistischen Ideologien, und dient der überparteilichen Festlegung auf eine gemeinsame Strategie (González, 1978, S. 41).

In die erste Amtszeit Alvaro Uribes fällt das Problem der Verfassungsreform im Hinblick auf seine Wiederwahl. Der Uribe-Diskurs betrachtete einzig den Präsidenten als den Führungswerten angemessen, die ihn befähigen, die Transformation der Gesellschaft in die Zukunft zu leisten. In Kolumbien gibt es zwei Möglichkeiten, das Volk an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, dem Plebizit und dem Referendum. Uribe bediente sich im Jahre 2003 der Möglichkeit eines Referendums, das seinem Antrag auf Verfassungsänderung legitimität geben sollte. Das Verfassungsgericht untersagte die Gültigkeit dieser politischen Anstrengung und ermöglichte dadurch eine Reform der Verfassung, die mit Unterstützung des Parlamentes durchgesetzt werden musste. Das inszenierte Referendum hatte trotz seiner juriden Wertlosigkeit dennoch Unterstützung bei der Bevölkerung erwirken können. Laut einer Meinungsumfrage stimmten 79% für Uribes Änderungsantrag (Ipsos Umfrage, 2005). Analog verhält es sich zu seinem Versuch, auch im Verlaufe der zweiten Amtszeit noch einmal eine Verfassungsänderung durchzuführen, um sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Unterstützung in der Bevölkerung konnte Uribe zu 68% mit einer klaren Mehrheit für sein Projekt beanspruchen (D'Artagnan, 2004, 11 August). Am ersten November 2007 erklärte Uribe gegenüber der Tageszeitung El Tiempo: „ Presidente, ¿y la reelección?... No es conveniente que un presidente se perpetúe en el poder. La coalición debe encontrar un candidato. Reelección, solo si hay una hecatombe', respondió el Presidente, según confirmaron varios de los asistentes a la reunión" (2007, 1, November).

In der Produktion des Diskurses verzichtet Uribe auf die Verwendung des Wortes Katastrophe, was ein Novum gegenüber Nuñez darstellt, denn stattdessen spricht Uribe von einer hecatombe. So gelingt es ihm seine Territorialpolitik mit einem mythologischen Bild zu vereinen, dem die Bedeutung des Opfers inheränt ist. Eine Wiederwahl schlieβt Uribe nur dann in seine Überlegungen ein, wenn die Gefahr besteht, dass das kolumbianische Volk Opfer werden könne, was praktisch als eine impliziete Verlängerung der Aufstandsbekämpfung gewertet werden kann. Explizit bekennt sich Uribe zu einer demokratischen Form, die der Verfassung verpflichtet sein muss. Das mythische Bild der Hekatombe dient klar der Verschleierung realpolitischer Intentionen. Die Heraufbeschwörung einer ungeheuren Macht ist auf der medialen Ebene im Reich der Mythen und Legenden angesiedelt und entspricht in keiner Weise den realen militärischen Stärken etwa der FARC. Das Stilmittel ist hier fester Bestandteil der Selbstinszinierung als Erlösergestellt. Die Diskursproduktion bedient sich der Mythensprache, um sich im juristischen Sinne zu positionieren und um den Eindruck der Höflichkeit und Zurückhaltung zu erwecken. Das Wort Hekatombe wurde von einem Groβteil der kolumbianischen Bevölkerung gar nicht verstanden. Der griechische Ursprung des Wortes, seine Bedeutung im Zusammenhang mit Opferritualen am römisch-kaiserlichen Hofe können nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Dennoch greift die Diskursproduktion auf dieses Wort in der öffentlichen Kommunikation zurück, was als Beleg für die Maβnahme angesehen werden kann, mittels des Diskurses Überzeugungen zu generieren, die den Präsidenten in seinem Verfassungsreformprogramm unterstützen sollen. Diese Strategie hatte Erfolg, obwohl die Bevölkerung in der Regel das Wort Hekatombe in einer Bedeutung erfasste, die sich von der Lautform her erschlieβt. Die Vorstellungskraft konstruierte eine Bedeutung des Wortes, die Explosion, Bombe beziehungsweise Atombombe und Chaos miteinander verband. Die gezielte Verbreitung von Angst unter den Mitgliedern der Bevölkerung auf der Ebene der präsidialen Diskursproduktion wird auch durch Körpersprache und Haltung des Redners unterstrichen (Pécaut, 2003, S. 23). Verwendete Uribe das Wort senkte er die Stimme zu Beginn und setzte den Akzent auf die dritte Silbe, blickte zu diesem Zeitpunkt gen Himmel und zeigte mit dem Finger der rechten Hand ebenfalls in diese Richtung. Politisches Ziel dieser Kampagne ist die Verbreitung von Unklarheit und Angst, zwei klassische Pfeiler abendländischchristlicher Machtsicherung, die vor der Aufkläungsbewegung ihre Hochphase erlebten und antidemokratisch sind.

Desweiteren verwendet Uribe Phrasen wie „Zustand der Meinung" oder „höhere Stufe der Rechtsstaatlichkeit", zwei Redeweisen, mit denen sich Uribe die Unterstützung der Bevölkerung sichern möchte. Posado macht auf diese Tatsache in seinem Leitartikel vom 20. August in der Tageszeitung El Tiempo aufmerksam:

Algunos creen que es alharaca. Pero el debate generado por la insistencia del presidente Uribe en referirse al Estado de Opinión" como fase superior del Estado de Derecho" es oportuno y necesario. Un informe de Laura Jaramillo en el portal electrónico lasillavacia.com había identificado el uso repetido de la expresión por parte del Presidente en 103 discursos, artículos y entrevistas, casi todos después de octubre del2008. (Posada, 2009, 20, August)

Die aktive Werbung Uribes für die Unterstützung in der Bevölkerung gelingt ihm mittels dieser Phrasen. Um eine auβergesetzliche Antiterrorpolitik durchzusetzen, braucht er die Sicherheit, die Mehrheit der Bevölkerung als hinter seiner Politik stehend zu wissen, weshalb in Kolumbien auch alle drei Monate Umfragen des internationalen Konzerns IP-SOS durchgeführt werden, die den Zustand der Meinung in Bezug auf den Staat in Zahlen ausdrücken. Die Legitimation der Macht in punkto Aufstandsbekämpfung wird somit nicht durch das Gesetz abgesichert, sondern durch den gemeinsamen Glauben an den kollektiven Mythos der Hekatombe. Dieser gemeinsame Glaube ist Schutz für die Handlungen des Präsidenten und zu gleich Entschuldigung für die Untätigkeit der Bevölkerung.

Staatsreligion

Unabhängig von standardisierten Formen institutionalisierter Glaubenslehren wie etwa das Christentum, der Islam oder das Judentum, finden Elemente religiöser Glaubensvorstellungen, Praktiken und Gefühle mit Beginn der Nationalstaatsbildung auch in säkularer Form ihren Ausdruck. Das Präsidialsystem weist diese Merkmale im Falle Kolumbiens vom ersten Augenblick an auf. Nachweislich zeigt sich die Grundlegung dieser säkular-religiösen Ausdrucksform in der Bezugnahme auf Simon Bolivar als der Gründungsfigur emanzipato-rischer Staatsbildung. Der zweite Bezugspunkt in dieser Trias aus Vorstellungen, Praktiken und Gefühlen bildet der gewährte Anspruch an den Präsidenten, als Erlöserfigur auftreten zu können. Die Rolle einer messianischen Figur wird seitens des Volkes nicht ernsthaft bedroht und darf seitens des Präsidenten auch ernsthaft vertreten werden, wobei Bolivar für beide Seiten als Referenzobjekt aller vergangenen, gegewärtigen und zukünftigen Erlöserprojekte herhalten muss. Der "Zusammenhalt", die "nationale Idee" oder wie immer man auch das Konzept "Vaterland" auf den Begriff bringen will, orientiert alle beteiligten Akteure an einer doxa, die sich durch eben den gemeinsam vollzogenen Glauben an den Messias (d.i. Der Präsident), verbale und non-verbale Handlungen mit Ausrichtung auf die Messiasfigur (d.i. etwa das gemeinsame Voten bei Umfragen, das gemeinsame Verfolgen der Fernsehansprache des Präsidenten, das "Freund"-werden mit dem Präsidenten auf Twitter etc.) beziehungsweise durch geteilte Rauschempfindungen wie Freud und Leid in Bezug auf den Präsidenten (d.i. etwa der Fall bei Erkrankungen des Präsidenten oder dessen Befürwortung resp. Ablehnung einer Figur des öffentlichen Lebens) auszeichnet. Grundlage und Anspruch sind hinsichtlich der Betrachtung ausgewählter Textabschnitte als Analysekriterien relevant (Bustamante, 1980, S. 54).

Das diskursive Bild im ausgehenden 19. Jahrhundert unterscheidet sich durch die perfide Nutzung der neuen Kommunikationstechnologien in seiner Erscheinungsweise unter Uribe deutlich von seinem Vorgängermodell. Erfolgt die Selbstinszenierung von Rafael Nuñez in der Gestalt des Hirten, so dass er als politischer Führer der gesamten "Herde" auftritt, so erscheint Alvaro Uribe in seinem Verwenden der neuen Medien als der Führer, der das "Ensemble" zusammen hält. Brauchte es unter Nuñez noch der besonderen Note des Vertrauens in den Repräsentanten, so gelingt Uribe die Selbstinszenierung als kooperativer Handlungspartner eines jeden Bevölkerungsmitgliedes qua permanenter Verfügbarkeit seiner Anwesenheit via "virtuel space" im alltäglichen Leben.

Der Anspruch des Präsidenten, als Erlöserfigur auftreten zu dürfen, verdankt sich im ausgehenden 19. Jahrhundert einer Reihe von pro-Nuñez-Werbekampagnen, die selbst viel zur Inszenierung des Präsidenten als einer heiligen Gestalt beitragen, um eigene Kreise gewinnbringend zu überzeugen. Analog zu einem Sendungsbewusstsein institutionalisierter Glaubenslehren, greifen die Propagandisten in Beuzug auf die Bewusstseinsbildung gezielt auf die res sacra zurück. Nehmen wir das Beispiel eines Briefes des Herzogen José María Gutierrez de Alba, den jener explizit an den Präsidenten adressiert und als offenen Brief in der Zeitung "El Deber" am 27. Februar 1880 abdrucken lässt, wobei die implizite Adressatengruppe klar die Aristokratie des Landes ist:

Necesario es que vos, representante legítimo de esa idea más noble y generosa, símbolo y verbo de esa redención tan deseada, cumpláis con vuestra santa misión y evitéis la catástrofe del único modo posible: adoptando una políticafrancamente nacional, y arrojando del templo de la nueva doctrina a los mercaderes que la degradan y a los fariseos que representan el egoísmo y la ambición, rémoras de todo adelanto, y la hipocresía que envilece todo noble sentimiento [...] buscad los hombres para los destinos y no los destinos para los hombres como hasta ahora se ha hecho. (El Deber, 1880, 27, Februar)

Das Einschwören der eigenen sozialen Schicht auf das Ende der "sozialen Krise" durch die Intervention des Präsidenten erfolgt hier mittels der Ausdrücke "redención" (Errettung) und "santa misión" (heilige Mission) in der Orientierung auf den sekularen Ausdruck "una política nacional" (eine nationale Politik), der selbst argumentativ durch das bedeutungslose Wort "francamente" (wirklich/wahrhaftig) abgestützt wird. Was Alba abliefert, liest sich realiter wie eine Beschwörungsformel, die der Textsorte "Zaubersprüche" und nicht der Sorte "politische Rede" zuzuordnen ist. Es finden sich keine nachvollziehbaren Gründe, die auf eine wie auch immer geartete Fürsprache hinweisen, es findet sich schlicht eine Anhäufung irrationeller Zustandsbeschreibungen, die ihre Anleihen aus dem Evangelium des Matthäus nehmen, worin Jesus die Pharisäer straft. Das Gleichnis Präsident und Jesus im Zustand der Strafe gibt gleichermaβen ein Druckmittel gegenüber der eigenen Kaste wie auch den Beginn ab, der mit dieser neuen Politik, einer Politik des Herrschens und Strafens einsetzt (Correa, 2009, S. 37).

Ähnlich gehen auch die Propogandisten Uribes vor, wenn es um die Darstellung des Präsidenten als Erlösergestalt geht. In diesem Sinne unterscheidet er sich nicht von dem pro-Nuñez-Diskurs. Betrachten wir hierzu einen Auszug aus dem Leitartikel von José Obdulio Gaviria, Rechtsanwalt, Journalist und Chefideologe der Uribe-Politik, der am 3. August 2010 in der Zeitung "El Tiempo" abgedruckt ist:

Este sábado finaliza la Presidencia más larga, enjundiosa, brillante y fructífera de nuestra historia. Después de décadas de ayuno de liderazgo, la Providencia nos regaló una inteligencia superior; un guía providencial para dirigir a su pueblo en la travesía del desierto; un conductor militar nato para ejercer como estratega del mejor grupo de hombres y mujeres que se haya reunido nunca en un mismo momento y en una misma institución: nuestras Fuerzas Armadas (militares y de policía) . (Gaviria, 2010, 3, August)

Voll von Worten des Lobes und mit überschwänglicher Fürsprache qualifiziert Gaviria die zurückliegende Präsidentschaft Uribes, um ihn selbst in den Stand eines "Heiligen" zu heben. Das biblische Bild von der Wanderung Moses mit seinem Volk Israel durch die Wüste dient als Gleichnis zu der "Leidenszeit" des kolumbianischen Volkes während der sozialen Krise in präuribianischen Zeiten. Das Stilmittel der Überraschung fügt der Autor mittels des Ausdruckes "Providencia" (Vorsehung) in seine Erörterung ein, um herauszustellen, dass dem kolumbianischen Völk nunmehr ein Merkmal zukommt, das es ohne die Amtszeit des Präsidenten nie zugesprochen bekommen hätte: eine höhere Intelligenz. Die Anleihen an der Geschichte Moses erschöpfen sich in den Eigenschaften als Heerführer und Militärstratege. Realiter war die soziale Krise auch nach Uribes zweiter Amtszeit nicht geringer als vor seiner ersten Amtszeit. Was sich tatsächlich verbessert hatte, war die Ausrüstung der bewaffneten Streitkräfte und der Grad der Überwachung der Bevölkerung inklusive des Denunziantentums im Sinne der Aufstansbekämpfung (Correa, 2009, S. 39). Das bloβe Beschwören des Bildes eines Erlösers mag die formalen Kriterien zur literarischen Gestaltung mystischer Texte gewiss erfüllen, zeugt aber adäquat zu den Intentionen Albas einhundertunddreiβig Jahre zuvor am Ende der zweiten Amtszeit Uribes von denselben Beweggründen: der bloβe Glaube an den Führer! Und dieser Glaube macht die Selbstbeweihräucherung notwendig, damit die tatsächlichen Mängel der Amtszeit nicht zur Sprache kommen. Dafür wird das Druckmittel anders als bei Alba nicht im Reich der Mystik zitiert, sondern explizit benannt: die bewaffneten Kräfte.

Zentrale Referenzfigur für das messianische Leitmotiv gibt die Figur Simon Bolivars ab. Es handelt sich im Falle Bolivars wiederum um eine Projektionsfläche, die selbst seitens des Erlöserdiskurses konstruiert wird, weshalb ich in diesem Zusammenhang von der Bolivar-Figur und nicht von der konkreten Erscheinung Simon Bolivars spreche. Auffällig ist, dass sich die pro-Nuñez-Werbekampagne von der pro-Uribe-Werbekampagne in der Projektionsweise auf Bolivar nicht unterscheidet. Beide nehmen die Bolivar-Figur für ihre eigene Messias-Argumentation zur Grundlage. Es wird argumentiert, dass es das Bolivar-Projekt der nationalen Einigung fortzusetzen, das patriotische Werk zu vollenden gelte.

Im Falle von Rafael Nuñez zeigt der Hauptartikel anlässlich des Geburtstages Simon Bolívars vom 28. Oktober 1879, welche Eigenschaften der Führerfigur zugeschrieben werden:

¿Pero que misterioso amuleto poseía Bolívar para que el blanco, el indio, el negro, el mestizo se sintieran por él subyugados, por él de estatura mediana, naturaleza al parecer endeble, de fuerzas escasas, delicado de manos, de voz débil, de continente apacible, inferir o a sus inferiores en todo lo que en concepto de ellos podía constituir la superioridad y dar derecho a la supremacía? Todo su poder estaba en su alma, en la inteligencia superior que brillaba en su mirada, que se reflejaba en sus acciones, y que hacía perceptible a los ojos de cuantos se acercaban la inmensa distancia a que se encontraban de él. (ElDeber, 1879, 28, Oktober)

Alvaro Uribe zeichnet am Nationaltag Kolumbiens in einer Rede, die am 7. August 2002 in El Tiempo abgedruckt wird, das Bild der Bolivar-Figur so:

Bolívar [...] encarna la idea de orden y autoridad. El orden como presupuesto ineludible de la libertad, la autoridad que hace posible la igualdad de oportunidades [...] Bolívar entendió el orden como principio de unidad y de justicia social. Supo obtener el apoyo de los sectores populares de Venezuela, quienes, al separarse de la dominación, hicieron posible la independencia. Los indígenas del Alto Perú avizoraron en el orden Bolivariano el faro de sus reivindicaciones sociales; en la espada libertadora, que escribió la Constitución sin privilegios para Bolivia, reconocieron el símbolo de la autoridad al servicio de las garantías populares. Para reposo del Libertador recuperemos el orden, que unifique esta Nueva Granada disgregada hoy en repúblicas de facto de organizaciones violentas. (Uribe, 2002, 7, August)

Für Nuñez und für Uribe ist die Bolivar-Figur Ausdruck einer Politik der Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung einzig des Zieles wegen, es selbst in die Freiheit zu führen. Dieser Vision folgend werden selbstredend auch die Mechanismen der Kontrolle und Überwachung eingeführt. Die säkularen Elemente religiöser Ausdrucksformen stellen dabei die Stützen dieser visionären Politik im Vorstellen, Handeln und Fühlen der Bevölkerung dar, so dass die Befreiung, angeregt durch die Bolivar-Figur, zum Movens einer Politik der Kontrolle und Überwachung wird, wobei sie selbst bloβer Traum bleibt. Und die neuen Kommunikationstechnologien erfüllen den Dienst, Quelle des Befreiungstraums zu sein.

Im folgende stelle ich der Diskursproduktion vor, die als Zentralpunkt der Analyse.

Der Dikursproduktion

In der Produktion des präsidialen Diskurses über die Regierbarkeit greifen Núñez und Uribe gleichermaβen auf dieselben Topoi zurück: Stärke der Staatsführung, Armee als Schutzmacht der Nation, Moralische Werte des Friedens, Moralische Werte der Religion, Simon Bolivar als Vorbild exekutiver Machtausübung, Der Präsident als Gottes-Figur.

Stärke der Staatsführung

Ausgangspunkt für alle Annahmen über die Ursachen von Armut ist ein schwacher Präsident resp. ein schwaches Präsidialsystem. Das Bild der „sozialen Krise" dient als Beschreibungsmodus für die Ursachen, für die Existenz der Armut. Núñez und Uribe beschwören gleichermaβen das Bild der „sozialen Krise", um für einen Machtzuwachs zu werben, d.h. um das Präsidialsystem zu stärken, wobei sie mit dem Versprechen auftreten, die „soziale Krise" zu lösen (Palacios, 2002, S. 123).

Das Präsidialsystem als eine Verwaltungsstruktur mit Führungsanspruch stellt eine Form der Kanalisierung von Interessen dar. Dem Präsidenten verleiht die Bevölkerung in Form eines Sozialkörpers Sinn, was einige Vertreter liberaler Wirtschaftstheorien über die Entwicklung des Kapitalismus meinen, wenn sie von einem „Substrat der Wahrheit" sprechen (J.S. Mill- The Principles of Political Economy: with some of their applications to social philosophy: 1848). In diesem Sinne soll das Bild des Regierenden auf die Überwindung der Schwierigkeiten hinweisen, denn die Handlungen der Regierung fuβen auf der moralischen Natur der Handlung, d.h. die Handlungen der Regierung sind per se gut. Festgelegt durch den Regierenden, erfüllt die Handlung alle Bedingungen, die für einen prosperierenden Staat notwendig sind, Armut abbauen und folglich zur Stabilität der Gesellschaft beitragen. In dieser Logik erscheint das Phänomen Armut als ein Ergebnis schlechter Staatsführung.

Im Jahr 1886 stellt Rafael Núñez seinen ersten Regierungsplan vor. Darin plädiert er für eine Führungsfähigkeit in der Regierung, um den richtigen Weg für die ökonomische Entwicklung der Nation gehen zu können:

El plan que proponemos no es nuevo, porque fue sabiamente previsto por los estadistas que nos gobernaban hace unos once años. En una mera fracción del país no hay punto de apoyo ni atmósfera proporcionados a la magnitud de la empresa. Se trata de un gran trabajo nacional semejante a la lucha por la independencia, y el éxito de los esfuerzos se encuentra íntimamente ligado a la cantidad y calidad de los colaboradores. (Núñez, 1886, S. 430)

Alvaro Uribe sieht für die Ursache der Armut die Gewalt. Er plädiert für eine Führungsfähigkeit in der Regierung, die es ermöglicht, diese Ursache zu bekämpfen:

Y en materia de orden social: toda la inequidad, toda la injusticia, todo el desempleo, toda la pobreza colombiana, todo eso ha sido incentivado por esta violencia. Esta violencia no es solución a la problemática social, ha sido obstáculo a la solución. Por eso he dicho que en Colombia no tenemos un conflicto, de acuerdo con los elementos históricos que lo tipifica, sino la lucha de un pueblo y de unas instituciones contra una acción terrorista. (Uribe, 2004, 25, Oktober)

Armee als Schutzmacht der Nation

Der Armee kommt die Aufgabe zu, die ökonomische Entwicklung zu garantieren und für den Erhalt des Sozialkörpers zu sorgen. Da die "soziale Krise" als eine Schwäche des Präsidialsystems angesehen wird, symbolisieren die Streitkräfte auch einen moralischen Wert. Eine kollektive Haltung gegenüber den Streitkräften muss als eine positive herbeigeführt werden, um die Stärke des Präsidialsystems zu illustrieren. Der Präsident vereinigt in seinem Amt auch die Funktion des Oberbefehlshabers. Die Streitkräfte repräsentieren somit einerseits die Macht des Präsidenten, geben für die Bevölkerung aber auch einen Indikator zwecks Bewertung des Präsidialsystems ab: Ist die Armee schwach, schlecht ausgestattet und organisert, so ist das folglich das Ergebnis von Schwäche auf seiten des Präsidenten (Torres, 2002, S. 112). Und diese Tatsache kann Ausgangspunkt für eine Revolte sein, so die Sichtweise des präsidialen Diskurses. Die enge Verknüpfung aus Führungsanspruch, Machtsicherung mittels Revoltenniederschlagung zum Wohle der ökonomischen Entwicklung und als Mittel, die "soziale Krise" (d.i. die Armut) zu bekämpfen, formuliert Núñez in einer Rede vor dem Parlament so:

La fuerza militar, convenientemente organizada y distribuida, es, sin duda, elemento del orden [...] pero sin el desarrollo de los intereses económicos, la expresada solución del problema puede considerarse provisional solamente. No hay, en efecto, más profunda causa del desorden que la miseria; así que no hay más sólido agente de sosiego que el bienestar. (Núñez, 1886, S. 54)

Eine Analyse der politischen Rhethorik zeigt schnell die wesentliche Zwecksetzung der Armee: Sie muss sich im Zustand guter organisatorischer Verfasstheit befinden und über das Land verteilt einsatzbereit sein. Die Streitkräfte sind als ein "Element der Ordnung" nicht zu hinterfragen. Die trennscharfe Kontraposition aus (sozialer) Ordnung und (sozialer) Unordnung begründet das Einsatzfeld für die Streitkräfte. Ökonomische Entwicklung, so die implizite These, ist der Garant für den "Kampf gegen die Armut", was praktisch eine permanente Einsatzbereitschaft der Armee verlangt, denn nur diese kann den damit verbundenen Ansprüchen genügen.

Unter diesen Bedingungen kann die Regierung Núñez verlautbaren, dass die "soziale Krise" für alle einsehbar "unter Kontrolle" ist. Der Vorrang von Militärausgaben gegenüber anderen Ausgaben muss somit allen Bürgern als eine verständliche Tatsache erscheinen. De facto sind die Streitkräfte in der Lage, Arbeiter und ihre Organisationen (bspw. Gewerkschaften) zu kontrollieren, denn diese Bevölkerungsgruppe ist zunächst Núñez (und ein Jahrhundert später auch seinem Amtsnachfolger Uribe) ein ernsthaftes Problem, denn die aufkommenden sozialen Bewegungen gefährden das aus der Kolonialzeit ererbte Eigentum (Echeverry, 2000, S. 13). Die Militärausgaben werden in der Kommunikation mit der Bevölkerung als notwendig hinsichtlich ihrer eigenen Sicherheit und zum Zwecke des (ökonomischen) Wachstums gerechtfertigt, dienen aber konkret der Förderung von Strukturen, mit denen aktiv spioniert, denunziert, gefoltert oder vertrieben werden kann. Realiter hatte diese Maβnahme die Folge, dass die Arbeiter ihre Proteste einschränkten; mehr aus Angst denn aus einem Verständnis für den wirtschaftlichen Wachstum.

Am 5. Dezember 2005 verkündet Alvaro Uribe vor den Offizieren der Armee:

En una democracia, las Fuerzas Armadas de la República son el único Ejército del Pueblo, la garantía del pueblo. Aseguran con su disuasión el sagrado derecho a la autodeterminación, protegen al inerme ciudadano en sus derechos fundamentales e impiden, con su respaldo coercible, que la voluntad soberana sea escamoteada. Al enseñorearse la democracia, los ejércitos legítimos ganan un fundamento ético incontrastable: ejercen la fuerza, proveen la seguridad, no ejercen la violencia. Y ejercen la fuerza y proveen seguridad para derrotar la violencia que carece de dicho cimiento axiológico. (Uribe, 2002, 5. Dezember)

Rolle und Funktion der Streitkräfte erhalten auch im Uribe-Diskurs keine Neuerungen. Uribe setzt die Notwendigkeit der Armee fest, indem er seinen Führungsanspruch klar verteidigt. Dies zeigt sich an der Aussage, die Streitkräfte seien „die einzige Volksarmee". Unter Verwendung des Eigennamens der FARC, vereinnahmt er die semantische Zwecksetzung der Formel zu Gunsten seiner eigenen Diskursfähigkeit. In diesem Sinne nimmt er der FARC die Definitionsmacht, denn er setzt das Freiheitskonzept in den Kontext seiner Regierungsarbeit, als Grundlage der ökonomischen Entwicklung und im Interesse des freien Unternehmertums. Uribes Ansichten über die Grundrechte klammern den gröβten Teil des Menschenrechtsdiskurses aus, denn spricht Uribe von Freiheit und Grundrechten, so meint er die bloβe Freiheit des Unternehmers (in Bezug auf Waren, Kapital und Arbeitskräfte) und das Recht auf Eigentum (d.i. das ererbte Kolonialeigentum der Eliten), nicht aber beispielsweise die sozialen, ökonomischen und kulturellen Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Die allgemeine Verwendungsweise der Ausdrücke Freiheit und Demokratie dienen ihm als Legitimation für die sicherheitspolitischen Element seines Diskurses. Und die Armee ist die reale Macht, auch im Inneren des Landes für die Einhaltung der Grundrechte zu sorgen, d.h. das ererbte Eigentum und den ungehinderten Verkehr von Waren, Kapital und Arbeitskräften zu sichern (Echeverry, 2009, S. 71).

Moralische Werte des Friedens

Núñez und Uribe bedienen ein Bild der Nation, das sich durch einen gemeinsamen Willen zum Frieden auszeichnet. Die hierzu notwendigen moralischen Werte ergeben sich aus der Liebe des kolumbianischen Volkes zum Frieden. Das Gegenteil zum Frieden, der Krieg, dient als Adversarius zum Bild über die Einheit der Nation. Sozialer Kohäsion steht der Krieg entgegen, weshalb das erste Strukturelement die „Liebe zum Frieden" ist (García, 1985, S. 93). Daraus abgeleitete moralische Werte dienen dem Zweck, die Nation zu definieren, da sie den Arbeitsergebnissen staatlicher Funktionsund Würdenträger ebenso vorgeordnet sind wie den politischen Entscheidungen, die getroffen werden. Rafael Núñez unterstreicht in seinen Diskursbeiträgen die Liebe für den Frieden als dominante Orientierungsfigur nationaler Einheit, um zu erklären, dass "Revolutionen" in Kolumbien von Oben nach Unten gemacht wurden und nicht von Unten nach Oben, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Analog erklärt Uribe, dass das Leid des kolumbianischen Volkes in das kollektive Gedächtnis nicht als Laune der rivalisierdenden Gruppen Eingang findet, sondern als Handlung von Kriegshelden wie etwa Rafael Uribe oder Benjamin Herrera, die im 19. Jahrhundert auf der Grundlage kämpften, den Krieg als ein legitimes Mittel für den Fieden mit dem Ziel zu machen, den Frieden als Staatsziel langfristig zu sichern. In diesem Sinne sagt Núñez: „El amor a la paz domina evidentemente en nuestro pueblo; y tanto es así, que entre nosotros las revoluciones se hacen siempre de arriba para abajo, y no de abajo para arriba, como sucede ordinariamente en otros países" (Núñez; 1886, S. 353). Und Uribe fasst diese Gedanken so in Worte: „El sufrimiento de un pueblo no puede eternizarse por el simple capricho de los contendientes. Y ni Uribe ni Herrera, tenían talante guerrerista, la guerra para ellos no era un fin en sí mismo ni menos un modus vivendi". (Uribe; 2002, 21 de Noviembre). „Miguel de Unamuno decía que el fuego que derrite la manteca, templa el acero. El pueblo colombiano ha cruzado por todas las dificultades y ahora hay que decirle que esas dificultades tienen que templar el acero para derrotar a los enemigos de la Patria" (Uribe, 2003, 8, Mai).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Núñez und Uribe im Kontext ihres jeweiligen historisch zu nennenden Begründungszusammenhangs das Bild des Friedens als einen moralischen Wert für das gesamte kolumbianische Volk anführen. Die logische Konsequenz dieser Behauptung ist der konsequente Ausschluss von inneren Feinden, unabhängig davon, was diese Gruppen wollen.

Moralische Werte der Religion

Die katholische Kirche erhält seitens des politischen Diskurses die zentrale Rolle zugeschrieben, die nationale Einheit im Geiste zu garantieren, denn als spirituelle Quelle für die friedenssichernden Werte verweisen Núñez und Uribe auf das Christentum. Das mit dem Ausdruck "Frieden" verbundene komplexe Bedeutungsfeld speist seine relevanten Thesen, Bewertungen oder Beispiele aus den mythischen Erzählungen des Christentums und gibt sie diskursbezogen als für das Bild der nationalen Einheit notwendige Orientierungsfiguren aus. Präsidialer Diskurs und die mythischen Überlieferungen durch das Christentum bilden somit eine Einheit, bei der es sich um eine nicht-materielle Kraft handelt, die jene Amtsträger führt, die die übrige Bevölkerung "(an)leiten", d.h. (beherrschen (Gilodhes, 1995, S. 362). Die mythische Basis als "Urgrund" humanitärer Staatsführung vermittelt das Bild einer Erlösergestalt in Form des Präsidenten. Die Führer einer Gesellschaft sind zugleich auch ihre Erlöser. Mosesgleich oder Jesusgleich sind mit dem Amt des Präsidenten auch jene Charaktereigenschaften verbunden, die den Glauben der Bevölkerung an Ihn binden. Und diese Glaubensinhalte entsprechen den Werten, durch die der Frieden gesichert werden soll. So erscheint der transzendentale Sinn, der Präsident würde im göttlichen Auftrag handeln, als nachvollziehbar. Das demokratische System erhält seine Kraft demnach nicht aus der Summe aller Fähigkeiten ihrer Mitglieder, sondern aus der göttlichen Kraft eines "höheren" Individuums. Der unumstöβliche Sockel, auf dem der Präsident steht, wird folglich durch die Erzählungen der christlischen Lehre aktiv gefestigt, bei der nicht relevant ist, dass sich freie Menschen als solche erkennen oder gar nach einem kollektiven Prinzip ihre Handlungen ausrichten, um Wohlstand zu erreichen. Diese Aufgabe wird einzig in eine Figur projeziert: der Präsident.

Der präsidiale Diskurs von Rafael Nuñez greift diesen Sachverhalt so auf:

Lo que importa averiguar es si el cristianismo es, o no más moralizador que la idolatría, y si al gobierno rudimental de los Zipas era, o no, preferible el de los Virreyes con todos sus grandes defectos [...] el error capital de la dominación peninsular, no fue el haber suplantado con la suya la dominación indígena [...] ese error consistió solamente en no haber comprendido a tiempo la necesidad de reformarse sustancialmente, para ponerse en salvadora armonía con el espíritu de los tiempos. (Núñez; 1886: S. 26)

Für Nunez ist nicht entscheidend, ob das Christentum gut oder schlecht ist, sondern, ob die idolatrische Religion der Indigenen nicht länger moralische Orientierung für diese ist. Das Christentum soll sich aktiv als spirituelle Macht entfalten können, weshalb keine andere Religion neben dem Christentum zulässig ist. Das Christentum wird so aktiv in den Gründungsprozess der Nation eingebunden. Alvaro Uribe nimmt andererseits eine evolutionäre Perspektive ein und behauptet, dass die Zivilverteidigung (La Defensa Civil) als ein Bild des heiligen Francisco de Asís aufzufassen sei:

Los miembros de la Defensa Civil como soñaba San Francisco de Asís que debían ser sus prosélitos, son un instrumento de la paz del señor. Ustedes, donde hay odio, siembran amor, y donde hay injuria, perdón. Ustedes renuevan la fe de quienes sufren desaliento y desesperanza y las sombras de la desgracia las convierten en luz. Ustedes, aunque a diario miran de frente a la trsiteza, alientan con su acción a gozar a la alegría. (Uribe, 2003, 6 April)

Die Mitglieder der Zivilverteidigung sind als eine humanitäre Armee des heiligen Francisco zu begreifen und in dieser Funktion diejenige Kraft, die den Glauben in der Bevölkerung weiter verbreiten und stärken soll.

Simon Bolivar als Vorbild exekutiver Machtausübung

Innerhalb des Núñez-Uribe-Diskurses nimmt Simon Bolivar mehr als nur den Platz eines Befreiers ein. Bolivar wird zu einer zentralen Figur stilisiert, welche die moralischen Werte der Nation per se verkörpert. In Bezug auf seine Rolle für den Katholizismus kommt ihm der Status „souveräne Macht" zu, was in der Narration durch die Identifikation Bolivars mit dem Willen Gottes geschieht. Die narrative Struktur entfaltet auf der Grundlage dieser Identifikation auch die Anfangsgründe für Autorität und gesellschaftliches Zusammenleben. Bolivar hat darin seinen ersten Auftrit als Erreter der Nation. Damit erfüllt er die Aufgabe, die Nation aus ihrer Vergangenheit zu erlösen und als solche auch zu einen. Sowohl Núñez als auch Uribe greifen gleichermaβen auf die Bolivar-Figur zurück, um auf diese Weise das Präsidialsystem zu favorisieren und zu legitimieren. Diese Legitimation dient der zentralisierten Macht als Mittel für soziale Kohäsion (Lemaitre, 1990, S. 102).

Der Diskurs-Beitrag zeichnet sich en detail durch das Benennen von Charaktereigenschaften des Helden aus. Aus dem Freiheitskämpfer Simón Bolivar formt sich das Bild eines Helden mit Führungsstärke, der die militärische Lage zu seinen Gunsten und im Interesse der Nation nutzt. Die Verwicklung der Macht erscheint dabei als von Gott selbst inspiriert. Diese Inspiration besitzt eine materielle Bedingung, welche die Armee darstellt. Das Volk wird von der Armee zu seinem historischen Ziel geführt. Zweck des Diskurses ist es, Vertrauen zum Volk aufzubauen, damit es die Armee als einen verlängerten Arm des Präsidenten begreift, der selbst ein Gesandter Gottes ist. Die Armee erscheint in diesem Bild als Vollstrecker der göttlichen Gewalt. Aus diesem transzendentalen Bezugssystem leiten sich konkrete Strukturen gesellschaftlichen Seins ab, die als „Ordnung" in Erscheinung treten und als solche die Grundlage für alle individuellen Freiheiten und sozialen Garantien bilden. In den Worten von Rafael Núñez:

En 1811, a la voz de la independencia, los espiritus poco a poco preparados por las meditaciones de los filósofos y el látigo y la rapacidad de los opresores, entraron en ebullición formidable, que no tuvo termino sino cuando Bolívar anunció a los otros pueblos asombrados que Colombia ocupaba ya culminante asiento en el banquete de las naciones. (Núñez; 1886, S. 917)

Und im Vergleich dazu der Wortlaut Alvaro Uribe: „La energía de la fuerza pública es la salvaguarda del débil, es la esperanza de toda la sociedad; expresó el Libertador Bolívar en memorable documento enviado al Congreso que se reunía en la ciudad de Ocaña en 1828. Claro que tenía toda la razón el Libertador, que además se anticipó al curso de los siglos" (Uribe, 2004, 31, März).

Núñez greift auf die Zeit der erfolgreich geführten Befreiungskriege Napoleon Bonapartes zurück, um zu suggerieren, Simon Bolívar würde in ähnlicher Weise Ziele und Absichten für Lateinamerika verfolgt haben wie sein europäischer Amtsgefährte. (Lemaitre, 1990, S. 107) Die ausschlieβlich positiven Eigenschaften des Helden manifestieren sich in Ausdrücken wie „Unabhängigkeit" und dem Anschluss an die Tradition der Aufklärung, die jene irrationalen Traditionen zurückdrängte die im mittelalterlichen Europa Stein des Anstoβes waren. Ferner gelingt es Núñez, die Integration Kolumbiens in die Weltgemeinschaft diskursiv zu proklamieren, da es mit den aufgeklärten Ideen Bolivars grundsätzlich in eine neue Etappe seiner Existenz getreten ist. Und dieses Bild gibt den Hauptpunkt aller Interpretationen über den Helden ab, der die soziale Kohäsion und die patriotischen Gefühle leitet.

Uribe greift in seiner Diskursgestaltung nicht auf den Vergleich zu Napoleon zurück, setzt aber ebenfalls die Befreiungsteleologie als Gründungsmythos der Nation in Szene, die ihren Ausgangspunkt in der Figur Bolívars hat. Dabei konzentriert sich Uribe auf die Herausarbeitung der Rolle der Streitkräfte, die Alvaro Uribe Bedingung der Möglichkeit von Machtsicherung sind. So kann er in seinen Reden die Fähigkeit der Armee loben, denn diese sind Garant für den Schutz der Schwachen wie auch die Hoffnung für eine Zukunft der Gesellschaft, der Nation. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhalten ihre Legitimation durch das zentrale Symbol, der Befreier Simon Bolívar, dessen Armee ihm half den göttlichen Willen zu vollstrecken. Da Uribe vor allem auf die Armee baut, hebt er diesen Aspekt besonders hervor. Auf Bolívar, d.h. seiner Armee, vereinen sich die kollektiven Gefühle des Patriotismus. Und aus diesen Gefühlen schöpft Uribe die Bestätigung für die moralischen Werte, die durch die Armee vertreten werden.

Der Präsident als Gottes-Figur

Der über das Bolivar-Bild eingeführte göttliche Charakterzug des Präsidenten als ein Erlöser für das kolumbianische Volk auf Erden gekommen zu sein, beanspruchen Núñez und Uribe gleichermaβen auch für sich selbst. Souveräne Macht und Autorität finden durch diesen Charakterzug ihre Legitimation. Im Verhältnis zur Judikative handelt es sich allerdings dabei um eine spirituelle Basis. Relevant ist sie demnach nur für die moralische Auseinandersetzung mit dem präsidialen Diskurs, d.h. in Anlehnung an Fragen, die Amt und Würde des Präsidenten in Bezug auf seine Redebeiträge und Handlungen betreffen. Denn durch seine (göttliche) Diskursmacht ist der Präsident angehalten, sich der Gesellschaft zu widmen, um, im Umkehrschluss, diese zu kontrollieren.

Charakteristisch für das Präsidialsystem in Kolumbien ist die Festigung des Bildes der nationalen Einheit jenseits eines einfachen politischen Programms. Das mythische Symbol der Nation dient dem Herrschaftsapparat als narrative Grundlage, die erklären und die individuellen Gefühle bedienen soll, damit der Apparat selbst reibungslos funktionieren kann. Die Machtausübung kann störungsfrei funktionieren, wenn auf diese Weise das Bild der nationalen Einheit einwandfrei voraussetzt, dass die Stimme des Volkes die Stimme Gottes ist. Die wechselnden Gegenstände des Diskurses erfahren stets eine Aktualisierung der durch den Dskurs heilig gesprochenen Objekte (Haddox, 1965, S. 44). Gleichermaβen sind die politischen Praktiken vom Prozess der Sakralisierung betroffen. Der politischen Praxis kommt ein spirituller Charakter zu. Das Vaterland erhält die Eigenschaft eines „Heims", bei welchem der Präsident in der Gestalt des Vaters erscheint. Im Wortlaut von Rafael Núñez:

Tampoco el pueblo colombiano merece desaparecer de la escena del mundo político [...] severos somos nosotros frecuentemente al juzgarlo, pero eso es solo por un desborde del ferviente anhelo mismo de verlo grande y feliz que nos devora; pues demasiado comprendemos su bella índole, sus elevados instintos, y que los extravíos que se advierten en su corta historia, no son en justicia imputables sino a mal inspirados consejeros y conductores. (Núñez; 1886, S. 351)

[...] El tono de la república, como y alo hemos insinuado, reprueba resueltamente todo acto contrario a la conservación de la paz, venga de donde viniere; y si hay algo que marque distintamente la verdadera y prominente voluntad nacional, es esa reprobación de cuanto puede directa o indirectamente contribuir a la producción de la calamidad de la guerra. (Núñez; 1886, S. 355)

Im Wortlaut von Álvaro Uribe:

Esta dialéctica se necesita para que la práctica perfeccione nuestra teoría inicial de la Seguridad Democrática, esta dialéctica se requiere para construir una confianza permanente del pueblo en su Fuerza, una integración permanente del pueblo con su Fuerza. Ese ejercicio dialéctico se requiere para que esa integración de su Fuerza con su pueblo, en los momentos de éxitos y en los momentos de dificultades, nos ponga en un camino sin reversa, en el camino de derrotar la violencia y derrotar la corrupción [...] Y entonces preguntan muchos: "¿por qué con un Gobierno de tanta mano dura contra el terrorismo, se habla de Seguridad Democrática que implica un tratamiento humanitario?". Por una razón: porque tenemos la misma decisión para derrotar a los terroristas que para abrazar la causa del diálogo cuando no nos engañen, cuando ese diálogo sea para respetar la Constitución. (Uribe, 2003, 8, Mai)

Elementen des Präsidialsystems als Rationalität der Regierbarkeit: Stabilitätskriterien

Um diesem Artikelzu dem Schluss möchte ich aufzeigen, welche Mechanismen das Präsidialsystem in einem Zustand der Stabilität halten, so dass es selbst in einer das Präsidialsystem gefährdenden Situation nicht zu einer Veränderung desselben hin zu einer neuen politischen Ordnung kommen kann. Diese Mechanismen nenne ich Stabilitätskriterien und ich werde sie in folgender Reihenfolge erörtern: (1) symbolische Macht des Mythos, (3) Gleichschaltung der politischen Institutionen.

Symbolische Macht des Mythos

Welche Eigenschaften kommen dem Präsidenten zu? Ich habe gezeigt, aus welchen Gründen der Präsident als eine „Führerfigur" angesehen werden kann: Er ist der Souverän, dem die übrigen politischen Institutionen (zentral) untergeordnet sind, dem die Kontrolle von legislativer und judikativer Gewalten qua der ihm untergebenen Exekutivorgane möglich ist, denn laut Verfassung darf er das Parlament kontrollieren, ist er der oberste General der Armee (aller Teilstreitkräfte: Heer, Luftwaffe, Marine), Chef der Polizei und er ernennt den Leiter des Geheimdienstes, wobei er selbst Schutzrechte für sein Handeln beansprucht, die ihm im Laufe seiner Amtszeit Immunität zusichern. Ferner gehört zu seinen Befugnissen auch die in der Tradition fest verankerte Ernennung des Botschafters des Vatikans zum Präsidenten des diplomatischen Corps, der condecoracion del nuncio, was eine wenn auch nicht formell festgeschriebene, doch aber eng vertraute Zusammenarbeit zwischen dem Kirchenstaat und dem kolumbianischen Präsidialsystem vermuten lässt.

Die Präsidenten Kolumbiens lieβen es nicht ungenutzt, diese Machtbefugnisse auch zur Schau zu tragen. Von Interesse soll hier die im Anschluss an die Stilprägung durch Bolívar ausgeprägte Selbstinszenierungspraxis bei Nuñez und Uribe sein, da beide sich insbesondere auf die Gründerfigur der Nation berufen, wenn es den Anschein hat, das Präsidialsystem könnte durch eine alternative politische Ordnung im Zuge der sozialen Krise abgelöst werden. Was alle drei Figuren vereint, ist das sich in Szene setzen als Befreier, Erlöser und Erretter. Den Anfang macht Bolívar, der im Zuge seiner Amtseinführung an die römische Tradition anknüpft und caesargleich mit einem Olivenblät-terkranz um das Haupt als Befreier vom Königtum auftritt. In diesem Zusammenhang gelingt ihm die Darstellung seiner Leistungen als Erlösung von den ökonomischen Strukturen der kolonialen Unterwerfung. Und das Bild des Erretters bedient Bolívar durch die Namensgebung, der Taufe des Landes auf den Namen Kolumbien, welche die Bevölkerung nunmehr unter einem Etikett vereint, womit der Nationendiskurs seine Gründung erfährt (Umprimy, 2007, S. 53). Diese Trias wird von Rafael Nuñez als Narrativ wieder aufgegriffen, um sich selbst im historischen Gedächtnis der Nation als Befreier von den liberalen und sozialistischen Rebellen, als Erlöser durch die Etablierung international anerkannter Rahmenbedingungen für die Wirtschaft des Landes und als Erretter durch die Herbeiführung der Einheit der Nation mittels einer "Verfassung der Einigung" zu verewigen, was diese ihm auch mit einem Denkmal vor dem Parlament, das Gesetzbuch in der Hand haltend, dankt. Uribe stilisiert sich als Befreier von den Terroristen, als Erlöser mittels Sicherstellung groβer ausländischer Investitionsprogramme und als Erretter qua Aktualisierung der patriotischen Gefühle durch den starken Nationendiskurs.

Die Diskrepanz zwischen legitimem Machtpotenzial und Art und Weise der Selbstinszenierung der "Führerfigur" wirft die Frage nach der Praxis der Anerkennung dieser in ihrem Verhältnis zur Bevölkerung auf. Für die Beantwortung dieser Frage ist es zu erwähnen relevant, dass die drei Eigenschaften (Befreier, Erlöser, Erretter) auf der Seite der Selbstinszenierung der christlichen Morallehre entnommen sind, denn als Tugenden treten sie in Bezug auf den Messias, Jesus Christus, zuerst in Erscheinung. Diesem wird zugesprochen, die Menschheit von der Sünde befreit zu haben, die Menschheit von der moralischen Krise erlöst zu haben und die Menschheit für eine paradisische Zukunft erretet zu haben, die als solche allerdings auf die Zeit nach dem Ableben derselben zu datieren ist. Diese Analogiebildung zwischen den Eigenschaften des Präsidenten und den Eigenschaften des Messias deutet auf eine mythische Verankerung der Idee der Nation im Bewusstsein christlicher Moralvorstellungen hin (Talmon, 1991, S. 53).

Der Tugend-Diskurs über die Nation bei Bolívar, Nuñez und Uribe bedient Glaubensvorstellungen christlicher Heilstheologie, durch die das Präsidialsystem samt der Machtbefugnisse des Präsidenten geschützt und bewahrt werden. In diesem Sinne handelt es sich in allen drei Fällen um eine Art und Weise der Selbstinszenierung, die in der Absicht vollzogen wurde, eine Moralvorstellung als Lebenswert zu etablieren, die losgelöst von den Problemen politischer Souveränität die Notwendigkeit der Symbiose zwischen Nation und "historischer Wahrheit" stets aktualisiert. Die Vorstellungen über die "historische Wahrheit" werden dabei in den Kosmos der katholischen Weltanschauung projeziert, aus der die Bestätigung der positiven Ordnung als einer natürlichen (weil gottgegebenen) Ordnung herausstrahlt. Befreiung, Erlösung und Errettung der Nation sind gebunden an die Figur Simon Bolívars und als solche transzendentale Zustände, aus denen die Nation erwachsen ist. In diesem Sinne greifen Nuñez und Uribe das Bild der Gründerfigur auf, dessen historisch wahren und richtigen Schritte das "Werden der Nation" verkörpern. Das ist der Gründungsmythos, der bei Nuñez und Uribe nicht nur aktualisiert, sondern auch erweitert wird, in dem sie sich selbst zu Akteuren machen, die grundsätzliche Veränderungen für die Nation brachten. Im Falle von Nuñez zeigt sich diese tranzendentale Wahrnehmung seitens der Bevölkerung in der Tatsache, dass diese ihm ein Denkmal vor dem Parlament setzte. Das mythische Bild, wie es im Fall von Nuñez heute durch das für alle möglich zu betrachtende Denkmal materialisiert ist, entwickelt eine Situation der passiven Unterwerfung unter die Autorität. Die Anerkennung des Denkmals entspringt der Absicht seiner Erbauer, durch das materialisierte Bild auch die damit repräsentierte "natürliche Ordnung" anzuerkennen. Blicken wir auf das vollständige Ensemble unter Einbeziehung des Denkmals für Bolívar (dargestellt mit caesargleichem Olivenblätterkranz) vor dem Parlamentsgebäude in Bogotá auf dem plaza de Bolívar, so gereicht es dem Betrachter als eine natürliche Zwecksetzung, die mythische Situation einem historischen Ursprung zuzuordnen, der seine Relevanz für die Gegenwart aus dem geltenden positiven Recht zieht. Die Verquickung von Tatsachen (über die reale Macht politischer Souveränität) und Werten (christlicher Heilstheologie) sorgt für den Glauben an die historische Wahrscheinlichkeit des in der Betrachtung des Figurenensembles einsehbaren Diskurses über den Ursprung in der mythischen Situation vor Ort. Das Narrativ der Schöpfung behauptet seinen Platz im kollektiven Gedächtnis neben den Denkmälern aber auch in einer Reihe von Stilfiguren wie der Nationalhymne, deren Liedtext Nuñez höchstselbst erdichtet hat. Die mythische Situation erfährt ihre Sinngebung in einer Reihe von Stilmitteln, zu denen die Figuren (Bolívar, Nuñez und Uribe), die poetische Inspiration oder auch das Gedenken als einer ritualisierten Form transzendentaler Erfahrungssuche gehören. In diesem Sinne stimme ich Bourdieu zu, dass aus der materialiserten Form der mythischen Situation eine Inspiration entspringt, aus der sich soziale Überzeugungen erschlieβen lassen, die eine Grundlage für staatlich souveränes Handeln abgeben (Talmon, 1991, S. 69). Diese Haltung der Rezipienten zu bewerten, kann nur im Hinblick auf die Absichten der Dramaturgen der Nationen-Idee vollzogen werden. Und um das zu leisten, muss de facto erst die Ästhetik der Macht (Hymnen, Denkmäler, Fahnen, Stilfiguren etc.), die den Mythos der Nation vermittelt, entschichtet werden, um frei zu legen, was die realen Bedingungen der Möglichkeit souveräner Machtausübung ausmacht. Sichtbar werden die oben dargestellten Konstruktionsfehler ebenso wie die realen Eigenschaften des Präsidenten. Der Schulterschluss zwischen Repräsentation des Präsidentialismus und der „natürlichen Weltordnung" katholischer Provinienz kann modern schlicht als PR-Aktion gelten, die dem Ziel dient, die Orientierungen und Handlungen der Bevölkerung an sich zu binden. Daraus resultiert, was Pierre Bourdieu als doxa bezeichnet hat: Jenes, das „stillschweigend als selbstverständlich hingenommen" wird. Die Bevölkerung wird qua Nationen-Diskurs in einen Modus versetzt, in dem das „unmittelbare Verwachsensein mit der »natürlich« erlebten und als selbstverständlich vorgegebenen Welt der Überlieferung" erlebbar ist (Bourdieu, 1969, S. 325). In diesem Sinne kann die Unterscheidung zwischen Orthodoxe (als Bezeichnung für all jene, die an den Mythos der Nation glauben) und Heterodoxe (als Bezeichnung für all jene, die an diesen Mythos nicht glauben) gemacht werden. Diese Unterscheidung erhält Relevanz für die Darstellung der physischen Gewalt, denn die mythische Situation hält moralische Implikationen bereit, die die transzendentale Grundlage für die PR-Aktionen abgeben, die die Gewalthandlungen der Regierung gegen Rebellen oder Terroristen in der Öffentlichkeit für alle einsehbar legitimieren sollen.

Gleichschaltung der politischen Institutionen

Der nation-building-Prozess hat auch für Kolumbien die Merkmale eines modernen Nationalstaates hervorgebracht, zu denen die politischen Institutionen als Struktur für die Verwaltung der Bevölkerung auf dem abgesteckten Territorium gehören. Die schwache Verfassungsstruktur sorgt für eine Indienststellung der politischen Institutionen. Der Präsident kann per Erlass oder Anordnung die eine oder andere politische Institution, sei es eine öffentliche Verwaltungseinheit oder ein Ministerium, einer Zweckbestimmung zuordnen, die seinen Absichten entspricht. In diesem Sinne kann von einer Gleichschaltung gesprochen werden, denn wortwörtlich handelt es sich bei dem Verhältnis zwischen Präsidenten und den politischen Institutionen des Landes um eine Mittel-Zweck-Beziehung, wobei die Orientierungen der politischen Institutionen klar auf die Absichten des Präsidenten zugeschnitten sind.

Relevant für die Betrachtung der politischen Institutionen ist ihre Handhabung durch den Präsidenten im Kontext der mythischen Situation. Im Anschluss an Bolívar gebrauchen Nuñez und Uribe die Stilmittel „Befreier", „Erlöser" und „Erretter" als wahrnehmbare Schlagwörter ihrer politischen Arbeit. Eine politische Institution, verstanden als eine besondere Struktur mit eigenen Regeln, Normen und Strategien für die Kontrolle und für die Verwaltung der Lebensformen, die in einer schwachen Verfassungsstruktur gleichgeschaltet ist, übernimmt diese Stilmittel in ihrer Kommunikation mit der Bevölkerung nicht nur, sondern setzt auch die seitens des Präsidenten eingeforderte politische Arbeit um. Das Szenario der „Befreiung" von Rebellen oder Terroristen obliegt der Armee, die „Erlösung" von der sozialen Krise obliegt dem Wirtschaftsministerium und die „Errettung" der Nation obliegt der effektiven Nutzung der Kommunikationsnetze.

Fazit

Die dichotomische Praxis im Umgang mit der Bevölkerung löste die souveräne Macht nie zugunsten der Citoyanité auf. Sie setzte im Gegenteil auf eine Verstärkung der schizophrenen Verwaltungspraxis im Regierungshandeln. Am Beispiel der Amtszeiten eine Konsolidierungsphase des Präsidialsystems im Zustand der Krise fällt, aus der -wenn auch zu verschiedenen Zeiten- jeweils gestärkt hervoging. Es konnte gezeigt werden, dass das seitens des Präsidialsystens produzierte Problem der Bürgerschaft unter dem Stichwort der „sozialen Krise" thematisiert wurde, um die Macht der symbolische Figur des Mythos durch die Religion und der Sicherheit produziert, die ausschlieβlich im Interesse der eigenen Unschuldsbekundung lagen. Diese Kontinuität in der Rationalität der Regierungsarbeit sorgte im Fall des radikalen Zustandes des Präsidialsystems stets für eine Zementierung des realen Problems der Bürgerschaft. Der seitens des Präsidialsystems selbstverschuldeten Armut-nationale Diskurs und Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen aus dem Staatsgebilde in materieller (Territorium) und ideeller (Patriotismus) Hinsicht stand stets eine verblindiche doxa des richtigen und guten Lebensvollzugs gegenüber, deren Repräsentation sich in der (zentralen Identifikations-) Figur des Präsidenten als einer charismatischen Erscheinung der Befreiung, Erlösung und Erretung verblindich zeigte. Dies ist möglich, da die manageriale Verwaltung eines Landes und die mytisch-religiöse Repräsentation der nationalen Idee im Falle Kolumbiens in Personalunion in der Figur des Präsidenten angelegt sind. Die (politischen) Handlungen des Präsidenten erscheinen so immer auch im Lichte der genannten messianische Idee. Und der Apparat zur Verwaltung der Bevölkerung dient analog auch stets der mesianischen Idee. Die Gewalt, ausgeführt durch den militärischen Arm des Verwaltungsapparates erscheint in allen ihren legitimen Formen dabei gleichermaβen als Kraftder göttlichen Idee, eben alles, was nicht zu ihr gehört, im Interesse der Nation, des Fortschritts, des Wohlstandes etc. Auszuschalten. Das Präsidialsystem als Ganzes kann in diesem Sinne also als ein messianisches Modell zur Verwaltung der Objekte der Regierungsarbeit beschreiben weden.

Dieser messianiche Charakter zeigt sich in den Phasen der Radikalisierung des Präsidialsystems an zwei Elementen, die ich als Stabilitätskriterien bezeichnet habe, da sie für die Konsolidierung der souveränen Macht sorgen, vor allem wenn sie sich in einem Zustand der absolute Krise befindet. Zugleich schlae ich vor, die Stabilitätskriterien auch als Indikatoren aufzufassen, durch die sich die Mängel in der politische Ordnung Kolumbiens benennen lassen.

Die realen Mängel in der symbolischen Macht der Mythos, die Gleichschaltung der politischen Institutionen als Mittel der Abwehr national bedrohlicher Kräfte und damit die Legitime Anwendung von Gewalt ermöglichen, sind das Ergebnis ungelöster Probleme seit dem (offiziellen) Ende der 19. Jahrhunderts. Die Fruchtbarmachung und Entwicklung einer biopolitische Perspektive konnte dieses Phänomen sichtbar machen. Denn die bloβe Übernahme der republikanischen Idee im Anschluss an das theoretische Postulat von Thomas Hobbes über die Königsherrschaft und ihre gottgegebenen Legitmität dient der Aktualisierung des Messianismus, den Bataille kritisierte, der Aktualisierung des Ausnahmezustandes, den Agamben als Problem der juristischen Tradition aufschloss, und der Aktualisierung des Postulats, die Tauschbeziehung zwischen den Menschen müssten durch einen Souverän koordiniert werden. Doch ein Beheben dieser Mängel würde die grundsätzliche Bereitschaft des Präsidialsystems voraussetzen, zunächst das Problem der Bürgerschaft zu Gunsten der Citoyanité neu zu ordnen.


Fuβzeile

1Der Arme ist das Ergebnis seiner eigenen Freiheit und er tendiert dazu, ein soziales Problem zu werden: "In the relation of government, there is therefore a production of subjectivity, but only on the condition that the action be free. Power and liberty are thus strictly linked, liberty being 'a present relation between the governing and the governed', and not the preoccupation reserved to liberal regimes. But precisely because of its link with power, liberty raises a thorny problem, that of the relation between production and its limitation. This is without a doubt the political problem par excellence, especially for a regime which makes political use of liberty given the central position it assumes, liberty only becomes more complicated, perpetually in balance among heterogeneous models... In this reading of liberalism, Foucault proposed an analysis of the contradiction between homo oeconomicus and the sovereign individual, the legal subject. These contradictions depend on the different principles which structure the liberty of each subject, and the social uses each makes of these in its respective models of socialization" (Rabimow, Dreyfus, 1994, S. 141).


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